LWB-Delegation besucht polnisch-ukrainische Grenze

Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge, die über die ukrainische Grenze nach Polen fliehen, sind Frauen und Kinder, darunter diese Mutter und ihr Sohn. Foto: Filip Błażejowski

Sorge um Ausbeutung von vulnerablen Müttern und Kindern; Großzügigkeit von Freiwilligen

GENF, Schweiz (LWI) – Obwohl Rebekka Meissner seit Langem in der humanitären Hilfe tätig ist, seien ihr die Szenen an den polnisch-ukrainischen Grenzübergängen, die sie bei einem Besuch im Namen des Lutherischen Weltbundes (LWB) vor Ort erlebt hat, nahegegangen. Insbesondere die große Hilfsbereitschaft der freiwilligen Helferinnen und Helfer habe sie bewegt, die den „vielen müden, erschöpften und unglaublich traurigen Frauen – einige Großmütter, aber vor allem Mütter mit kleinen Kindern – in den langen Schlangen mit großem Engagement helfen wollten“.

Meissner ist Programmreferentin des LWB für die Projekte von Mitgliedskirchen. Zusammen mit Chey Mattner, dem Leiter für Operationen des LWB-Weltdienstes, und Ireneusz Lukas, dem Regionalreferenten für Europa, besuchte sie vom 3. bis 6. März Warschau und verschiedene Grenzgebiete, in denen nach UN-Angaben mehr als 1,8 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer nach dem Einmarsch Russlands in ihr Land Schutz suchen. Ziel des Besuchs war es, die dringendsten Bedürfnisse der Geflüchteten zu ermitteln und herauszufinden, wie die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen bei der Bewältigung der wachsenden Krise am besten unterstützt werden könne.

Meissner und ihre Kollegen besuchten zwei der sieben Grenzübergänge zwischen Polen und der Ukraine und sahen mit eigenen Augen die „wohlgemeinten, aber oftmals unorganisierten“ Hilfsangebote der Menschen, die die Geflüchteten unterstützen und ihnen mit Gastfreundschaft begegnen wollen. „Es besteht ein hohes Risiko, dass es darunter auch Menschen gibt, die opportunistisch und kriminell sind, und die die aktuelle Lage als Chance für sich selbst sehen. Es gibt viele Haushalte und Familien, denen nun Frauen vorstehen, die hochgradig vulnerabel und müde sind, und die einfach nur an einen sichereren Ort gebracht werden wollen“, sagt Mattner. Die Bereitstellung registrierter Transporte durch die Kirchen und andere Organisationen und die Suche nach sicheren Orten für die Geflüchteten müssten seiner Meinung nach vor Ort in Polen derzeit oberste Priorität haben.

Schutz, Seelsorge und psychosoziale Unterstützung

Um das Risiko einzudämmen, dass die Geflüchteten Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung werden, arbeitet der LWB mit dem Hohen Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammen, um Registrierungsstellen einzurichten. Die Geflüchteten können dort Geldkarten mit einer ersten finanziellen Nothilfe und Informationen über Schutzangebote und psychosoziale Unterstützung bekommen, die ihnen eine erste Hilfe bei der Verarbeitung des erlittenen Traumas bieten soll. Große Sorge, so Meissner, bereite auch die große Zahl von Menschen mit Behinderung, die vor den Kämpfen geflohen sind und besonderer Unterstützung bedürfen. Diese sei in den Gemeinwesen, die sie aufnehmen, möglicherweise nicht so einfach verfügbar. 

Weil die überwiegende Mehrheit der Geflüchteten Frauen und Kinder seien, so Meissner, werde es auf langfristige Sicht auch Bedarf an Bildungsangeboten und Kinderbetreuung durch Ukrainisch sprechende Menschen geben. „Diejenigen, die in Polen bereits eine Bleibe gefunden haben, könnten als Pädagoginnen und Pädagogen ausgebildet werden, was ihnen einen gewissen Lebenssinn geben und negative Bewältigungsmechanismen verhindern könnte“, führt sie aus. Auch bei der Bereitstellung von Seelsorgeangeboten, werde den Kirche eine wichtige Rolle zukommen. Der LWB werde mit den Mitgliedskirchen zusammenarbeiten, um Schulungen, Ressourcen und andere Formen des Aufbaus notwendiger Kapazitäten bereitzustellen.

Mit 63.000 Mitgliedern in 133 Ortsgemeinden im ganzen Land ist die lutherische Kirche die größte protestantische Bekenntnisgemeinschaft in Polen. Ihr diakonischer Arm „Diakonia Polska“, dessen Mitarbeitende schon jetzt am Limit arbeiten und dessen Finanzlage in der aktuellen Krise angespannt ist, will seine Hilfe für die Geflüchteten noch ausbauen. „Auch die Ermittlung von Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche, der die Mehrheit der Bevölkerung angehört, muss ein Schwerpunkt sein“, erläutert Mattner. „So können wir doppelte Arbeit vermeiden und besser koordinierte Hilfe für die Bedürftigsten anbieten.“ Des Weiteren weist er darauf hin, welch wichtige Rolle die Kirchen und religiöse Organisationen beim Schutz der Rechte von nicht-ukrainischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern spielen können, die aus dem Land fliehen mussten. Einige von ihnen werden auf ihrer Flucht vor dem Krieg und ihrer Suche nach Sicherheit im Westen diskriminiert und missbraucht. 

Meissner berichtet, es habe ihr Mut gemacht zu sehen, wie großzügig und hilfsbereit die polnische Bevölkerung sei; sie leiste den Familien, die durch die Angriffe Russlands auf ihre Heimatorte alles verloren hätten, Hilfe wo immer sie könnte. „Wir müssen alle weiter für Frieden beten und spenden, um all jene zu unterstützen, die an vorderster Front hier Hilfe leisten“, sagt sie abschließend.

Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller