Lauf für den Frieden und für Südsudan

Rose Nathike Lokonyen beim Training. Foto: UNHCR / Benjamin Loiseau

LWB-Schülerin nimmt im Flüchtlingsteam an den Olympischen Spielen teil

KAKUMA, Kenia/GENF, 29. Juli 2016 (LWI) – Bis vor einem Jahr war sich Rose Nathike Lokonyen (23) ihres Talents kaum bewusst. Sie hatte nie an einem Leichtathletik-Wettkampf teilgenommen. Rose war im Alter von zehn Jahren vor dem Krieg im Südsudan geflohen. Heute ist sie eine von zehn Athleten mit Flüchtlingsstatus, die an den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro teilnehmen.

2002 kam Rose mit ihren Eltern nach Kakuma. Die Eltern gingen 2003 fort, doch Rose blieb in Kakuma und kümmerte sich um ihre drei jüngeren Geschwister. Wie viele andere Kinder, besuchte sie bis zur mittleren Reife die vom Lutherischen Weltbund (LWB) geführten Schulen im Flüchtlingslager.

In einer dieser Schulen wurde schließlich ihr Talent entdeckt: Ein Lehrer regte sie dazu an, anlässlich eines Schulwettkampfes an einem 10-km-Lauf teilzunehmen. „Ich hatte nicht trainiert. Es war das erste Mal, dass ich an einem Lauf teilnahm, und ich wurde Zweite“, sagt sie lächelnd. „Ich war sehr überrascht!”

2014 kam Rose, die sich nach wie vor um ihre drei jüngeren Geschwister kümmerte, zum Jugendbüro des LWB, um sich um eine Stelle zu bewerben. Sie wollte sich, wie sie sagt, „irgendwie beschäftigen“. Der LWB stellte sie in der Jugendabteilung ein, wo sie als Übungsleiterin für Mädchen arbeitete. 

Training für Rio

Im Juni gab das Internationale Olympische Komitee (IOC) bekannt, dass zehn Flüchtlinge ausgewählt würden, die an den Wettkämpfen in Rio de Janeiro teilnehmen sollen und damit das allererste Team olympischer Athleten mit Flüchtlingsstatus bilden werden, das es je gegeben hat. Das Team besteht aus einem Schwimmer und einer Schwimmerin aus Syrien, zwei Judokas aus der Demokratischen Republik Kongo, einem Marathonläufer aus Äthiopien und fünf MittelstreckenläuferInnen aus dem Südsudan, darunter Rose Nathike Lokonyen.

Die Initiative kommt zu einem Zeitpunkt, da sich mehr Menschen als je zuvor – nach letzten Zählungen 59,5 Millionen – gezwungen sehen, ihre Heimat zu verlassen, um sich vor Kämpfen und Verfolgungen in Sicherheit zu bringen. Die Gruppe, die diese Menschen in Rio vertritt, hofft, der Welt wenigstens einen kurzen Blick auf ihre Belastbarkeit und ihre ungenutzten Begabungen zu ermöglichen.

„Ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen ist eine Anerkennung für den Mut und das Durchhaltevermögen aller Flüchtlinge, wenn es darum geht, allen Widrigkeiten zum Trotz an einer besseren Zukunft für sich und ihre Familie zu bauen“, sagte UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi. „Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) steht hinter den Athleten und hinter allen Flüchtlingen.“

„Mein Volk vertreten“

Rose ist inzwischen in ein Trainingslager in der Nähe der kenianischen Hauptstadt Nairobi umgezogen, wo sie sich auf den 800-m-Lauf bei der Olympiade vorbereitet. „Ich werde sehr froh sein und einfach hart arbeiten und mich bewähren“, erklärt sie. Sie sagt, sie wolle für ihr Volk im Südsudan laufen, denn „es sind meine Landsleute, und meine Eltern sind immer noch dort“. „Ich werde für Frieden in Afrika laufen”, fügt sie hinzu.

Für sie führt die Leichtathletik nicht nur zu Preisgeldern und Empfehlungen, sondern sie ist auch eine Möglichkeit, andere anzuspornen. „Was ich in Rio erreichen will? Gewinnen, gewinnen und nochmals gewinnen…, aber vor allem mein Bestes geben, damit ich vielen Mädchen helfen kann, die Talent haben, aber weniger Chancen“, sagt sie.

„Ich werde dort in Rio mein Volk vertreten, und vielleicht kann ich, wenn ich Erfolg habe, zurückkehren und einen Lauf für Frieden und Völkerverständigung durchführen.“

Sie dankt dem LWB-Kakuma, dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge und der Tegla Loroupe Friedensstiftung dafür, dass sie ihr die Teilnahme an den Spielen ermöglichen.

Im Flüchtlingslager Kakuma leben etwa 180 000 Flüchtlinge, die meisten aus dem Südsudan. Der LWB bietet ihnen dort Grundschulunterricht, Unterstützung der frühkindlichen Entwicklung, Kinderschutz und Programme zum Erwerb eines dauerhaften Lebensunterhalts.

 

Ein Video über Rose Nathike Lokonyen