Kongo: Gemeinsam für den Frieden in der Region

EELCO-Generalsekretär Gilbert Ilunga Nkasa Talwa besuchte im Juli 2014 das Büro der LWB-Kirchengemeinschaft. Foto: LWB/S. Gallay

Interview mit dem Generalsekretär der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Kongo

(LWI) – Das Leben in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) ist geprägt von weithin schlechter Regierungsführung und Konflikten um die kostbaren Bodenschätze des Landes. Doch in den kommenden Jahren hat die Bevölkerung die Wahl: Der Generalsekretär der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Kongo (EELCO), Gilbert Ilunga Nkasa Talwa sieht die bevorstehenden Kommunalwahlen (Oktober und November 2014), Wahlen auf Provinzebene (2015) und die Präsidentschaftwahlen 2016 als Chance auf Veränderung. Der Zivilgesellschaft, darunter den Kirchen komme die wichtige Aufgabe zu, Menschen zur Teilnahme an den Abstimmungen zu ermutigen.  Sie müssten die Bevölkerung dazu bringen, ihr Recht auszuüben und eine politische Führung zu wählen, die tragfähige demokratische Prozesse schaffen kann.

Im folgenden Interview mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) spricht Talwa über die Schwierigkeiten, mit denen die DRK sowie die EELCO konfrontiert sind in einer jungen Demokratie, „die noch hoffnungsvoll darum ringt, glaubwürdige Strukturen und Institutionen aufzubauen.“

Was sind die wichtigsten Themen, an denen die lutherische Kirche aktuell arbeitet, und was bedeuten sie für die Umstände in der Demokratischen Republik Kongo?

Als erstes möchte ich betonen, dass die DRK und die lutherische Kirche voller Hoffnung in die Zukunft schauen, trotz eines offensichtlichen Konflikts, unter dem besonders der Osten des Landes  seit fast zwanzig Jahren leidet. Unglücklicherweise leiden in einem der reichsten Länder der Welt inzwischen Millionen Menschen unter Kämpfen, Vertreibung und Umsiedlung. Für unsere aktuelle schwierige Lage tragen wir aber auch selbst Verantwortung. Wir haben es bisher nicht geschafft, eine politische Führung zu wählen, die die Demokratie samt einer zur Rechenschaft verpflichteten Führung auf allen Ebenen fördern kann. Deswegen engagieren sich derzeit die Kirchen einschliesslich der EELCO gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Partnern für die sinnvolle Vermittlung politischer Bildung und fordern auch von der staatlichen Seite Unterstützung dafür ein. So werden die Wahlberechtigten befähigt, Führungspersönlichkeiten für die Orts-, Provinz- und Landesebene auszuwählen, die die Fähigkeiten haben, unser Land voranzubringen.

Die Komplexität des Konflikts in der DRK ist unübersehbar: Kräfte von aussen setzen stellvertretend „politische“ Gruppen für ihre Zwecke ein und wir [im Kongo] versagen bisher bei der Verwaltung unserer Rohstoffe. Aber der Teufelskreis der Gewalt kann durchbrochen, der Konflikt überwunden werden. Ich bin überzeugt, dass die aktive Begleitung der CENI (der unabhängigen nationalen Wahlkommission) den Glaubensgemeinschaften und der Zivilgesellschaft die Möglichkeit gibt, den Menschen deutlich zu machen dass es ein demokratisches Recht ist, wählen zu gehen und eine unabhängige Entscheidung zu treffen. In einem Land, in dem 2006 die erste Mehrparteienwahl überhaupt stattgefunden hat, braucht das Zeit. Zwar war die Wahl 2006 umstritten und auch bei den Wahlen 2011 wurden die Ergebnisse hinterfragt, trotzdem sind Wahlen das einzige überzeugende Verfahren. Die EELCO wird es auch zukünftig mittragen. Wir sind eine junge Demokratie, die noch hoffnungsvoll darum ringt, glaubwürdige Strukturen und Institutionen aufzubauen.

Bereits seit mehreren Jahren befindet sich die EELCO inzwischen in einer Führungskrise, die eine Spaltung verursacht hat. Tragen die Bestrebungen zur Bewältigung der Differenzen Früchte?

Ich hatte eingangs bereits gesagt, dass wir trotz der Probleme voller Hoffnung sind. Die Führungskrise in der EELCO begann 2003 und hat in den Gemeinden, zwischen den Geistlichen und unter Gemeindegliedern viel Schmerz verursacht. Es waren zwölf wahrhaft dunkle Jahre. Aber dank der Führung Gottes und auch der beharrlichen Begleitung durch unsere Brüder und Schwestern im Lutherischen Weltbund (LWB), durch die Lutherische Gemeinschaft in Zentral- und Ostafrika (LUCCEA) sowie unsere Partner in Deutschland ist dieser Konflikt um Kirchenleitung und -besitz nun beendet.

Kürzlich sind beide Seiten erneut in Lubumbashi zusammengetroffen. Diesmal hat ein lutherisches Parlamentsmitglied vermittelt. Wir haben uns endlich darauf geeinigt, uns auszusöhnen und unsere Kirche wieder zu vereinigen. Wir haben uns gegenseitig vergeben, uns versöhnt und ein Abkommen unterzeichnet, in dem wir uns darauf verpflichtet haben, uns ab jetzt gemeinsam für eine positive Zukunft der EELCO einzusetzen. Den beiden Gruppen standen der Leitende Bischof René Mwamba Sumaili sowie Bischof Nkulu Ngitu Yenda vor.

Wir sind auch mit dem Provinzminister für innere Angelegenheiten und dem Bürgermeister von Lubumbashi zusammengetroffen. Beide haben unsere Aussöhnung nachdrücklich gewürdigt und uns alle ermutigt, gemeinsam weiterzugehen. Zu den sofortigen Schritten zählte die offizielle Wiedereröffnung der Epiphanias-Kathedrale in Lubumbashi am 5. September, welche die Regierung wegen des kirchlichen Konflikts vier Monate lang geschlossen hatte. Am 7. September folgte die öffentliche Feier der Versöhnung und Wiedervereinigung, der der Leitende Bischof Sumaili und Bischof Yenda gemeinsam vorstanden. Weitere Gottesdienste dieser Art wurden in allen fünf Diözesen der EELCO gefeiert.

Wie bereitet sich die EELCO auf das Reformationsjubiläum 2017 vor?

Das Reformationsjubiläum ist für die EELCO ein Anlass, die Kirche und ihre Zukunft vor dem Hintergrund der lutherischen Lehre und des Kontexts in der DRK zu prüfen. Dazu gehört die Frage, wie wir unsere personellen und materiellen Ressourcen bestmöglich einsetzen können, um die Bande der Gemeinschaft unter uns im Sinne einer starken, geeinten lutherischen Kirche zu festigen. Wir planen, Geistliche, Gläubige und die junge Generation in den Prozess einzubinden.

Die EELCO arbeitet mit anderen evangelischen Kirchen zusammen, die in der ökumenischen Struktur der Kirche Christi im Kongo zusammengeschlossen sind, sowie mit der römisch-katholischen Kirche. Wir werden uns gemeinsam mit der Rolle der Kirche in der DRK und weltweit auseinandersetzen und überlegen, in welchen Bereichen wir die Zusammenarbeit vertiefen oder neue gemeinsame Aktivitäten anstossen können. Das Christentum ist die grösste Religion, der 80 Prozent der Bevölkerung in der DRK [über 65 Millionen Menschen] angehören, weitere 10 Prozent gehören dem Islam an und es gibt noch weitere Religionen. Wir müssen also gemeinsam darüber nachdenken, wie religiöse Organisationen zur Konsolidierung eines dauerhaften Friedens im Land beitragen können.

Die EELCO steht in Weggemeinschaft mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Burundi. Warum ist das wichtig?

Die kongolesische lutherische Kirche ist eine Missionskirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania sowie Mitglied von LUCCEA – beide leisten nach wie vor im spirituellen Bereich und auch anderweitig wichtige Begleitung. Wir haben auf Bitten von LUCCEA zugesagt, die neu entstehende Kirche in unserem Nachbarland Burundi zu unterstützen und so die Beziehungen zwischen den lutherischen Kirchen in Burundi, der DRK und in Ruanda zu vertiefen. Gemeinsam können wir uns für den Frieden in der Region um die Grossen Seen einsetzen, die schwere politische Krisen durchlebt hat.

Was bedeutet es für die kongolesische Kirche, Teil der weltweiten lutherischen Kirchengemeinschaft zu sein?

Wir sind stolz, dem LWB anzugehören, dem die EELCO 1986 beigetreten ist. Als Teil der weltweiten lutherischen Familie können wir uns auf Unterstützung verlassen, wenn wir uns isoliert und schwach fühlen. Wir sind zwar in der DRK nicht einmal 200.000 Lutheranerinnen und Lutheraner, aber wir fühlen uns als integraler Bestandteil der lutherischen Gemeinschaft von 72 Millionen Gläubigen weltweit. Unsere Freuden und Leiden in der DRK gewinnen dadurch an Gewicht, dass wir dieser weltweiten lutherischen Communio angehören.