Kolumbien: Strategische Planung am Herd

Mitglieder der Grupo des Mujeres bei ihrem Stand. Foto: LWB Kolumbien

LWB-Livelihood-Projekt verbessert Autarkie von Frauen und informiert über Menschenrechte

ARAUCA, Kolumbien/GENF (LWI) – Existenzsicherung und Menschenrechte: Ein Projekt des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Arauca, Kolumbien verbindet beides und stärkt Frauen. Die Frauengruppe der Bauernmärkte (Grupo de Mujeres de las Mercadas Campesinas) hat Gemeinschaftsgärten angelegt und bereitet Frauen, die von den bewaffneten Konflikten in Kolumbien betroffen sind, auf Führungsfunktionen vor.

Die Provinz Arauca im Osten Kolumbiens liegt an der Grenze zu Venezuela und ist reich an Rohstoffen. In der Region gab es aus diesem Grund während des kolumbianischen Bürgerkriegs erbitterte Kämpfe zwischen staatlichen Sicherheitskräften, Paramilitärs und der Guerilla, und auch heute sind dort nach wie vor paramilitärische Einheiten im Einsatz. Die zu großen Teilen indigene Bevölkerung leidet unter Gewalt und Ausgrenzung. Der LWB unterstützt seit einiger Zeit nachhaltige Livelihood-Projekte und arbeitet dabei bevorzugt mit indigenen Gruppen und Frauen zusammen.

Gemüseanbau stärkt den Zusammenhalt

Die Grupo des Mujeres hat 330 Mitglieder in den im Departamento Arauca gelegenen Gemeinden Arauquita, Saravena, Tame und Fortul. Eine sehr erfolgreich arbeitende Gruppe trifft sich regelmäßig in dem Dorf La Yuca. Die Frauen haben dort ein kleines Geschäft eröffnet, wo sie Gemüse und tierische Erzeugnisse verkaufen. Diese Frauen arbeiten jedoch nicht nur in der Landwirtschaft, sondern sind nach Aussage von Medalis Perez, der Vertreterin der Gruppe, auch federführend an Bildungsprojekten beteiligt.

Das Projekt begann als eine Initiative für die Anlage von Obstgärten, die den Frauen in einem von permanenten Konflikten oder Naturkatastrophen geprägten Umfeld eine Möglichkeit gab, sich zu schützen und ihre Existenz zu sichern. Jede der Frauen in der Gruppe begann damit, vor dem eigenen Haus einen Garten anzulegen. In der zweiten Phase hat ein Zusammenschluss von Frauen aus dieser Gruppe einen größeren Gemeinschaftsgarten gepflanzt und an besonderen Schulungen teilgenommen.

Dabei ging es u. a. um Agrarökonomie und Agrarökologie. Die Frauen lernten etwas über das traditionelle Zusammenspiel von Bodenbewirtschaftung, Pflanzenanbau, Tierzucht, Mensch und Umwelt als Garanten für nachhaltige Ernährungssicherheit und Existenzsicherung.

„Das ist ein wunderbares Projekt, an dem Frauen und junge Mädchen gleichermaßen beteiligt sind“, sagte Perez. „Ich freue mich besonders darüber, dass alles, was wir angepflanzt haben, auch gedeiht. Dafür danken wir Gott. Wir dachten zunächst, dass der Anbau von Rüben in dieser trockenen Gegend scheitern würde, aber mit Hilfe der Agronomen, die unser Projekt begleitet haben, ist es uns gelungen, dass alles wunderbar wächst. Wir investieren immer alle unsere Energie und Liebe in diese Arbeit“.

Unterstützung für die Überlebenden des Konflikts

Die Frauen haben aber nicht nur etwas über Landwirtschaft gelernt. Mit Unterstützung der Arauca-Ortsgruppe des Ständigen Ausschusses für die Verteidigung der Menschenrechte (CPDH) hat der LWB Workshops angeboten, die sich mit Familienthemen und Menschenrechtsfragen befasst haben. Die Frauen erhielten auch Informationen darüber, wo die Opfer des bewaffneten Konflikts Unterstützung und Rechtshilfe bekommen und wie sie sich am besten schützen können. Diese Informationen sind deshalb so wertvoll, weil sie sich an Menschen richten, die innerhalb ihrer Gemeinschaft Opfer von Gewalt wurden, es vor Ort aber keine offiziellen Einrichtungen gibt, an die sie sich wenden können. So wurde die landwirtschaftliche Frauengruppe ihr wichtigster Anlaufpunkt.

„Ich habe hier viele Änderungen erlebt“, sagte Perez. „Früher haben wir manchmal erfahren, wenn jemand vertrieben wurde. Aufgrund der Workshops weiß ich jetzt, an welche Stelle ich diese Menschen verweisen kann. Wir besprechen die Situation dieser Menschen auch innerhalb des Projekts und suchen nach Lösungen.“

„Gespräche am Herd“

Die Frauen haben ein Forum eingerichtet, das sie „Gespräche am Herd" nennen. Hier treffen sich die Frauen der Gemeinschaft hin und wieder mit ihren Kindern und ihren Ehemännern. Sie reden über Führungsaufgaben, diskutieren über Aktionen der Gemeinschaft, erörtern neue Gesetze und wie diese sich auf ihre Organisation auswirken, und sie essen gemeinsam. Diese Gespräche am Herd mussten aufgrund der COVID-Pandemie zunächst unterbrochen werden. Die Frauen bleiben aber trotzdem über Messenger-Dienste in Kontakt und informieren sich gegenseitig, wenn Gemüse ausgeliefert werden muss.

„Es gibt Menschen, die der Ansicht sind, dass auf den Feldern arbeitende Bauernfrauen keine Rechte haben“, sagt Perez. Die Workshops, Diskussionen und Schulungen eröffnen den Frauen die Möglichkeit, neue Kompetenzen und Fähigkeiten zu erwerben. Inzwischen verfügt die La Yuka-Dorfgruppe über eine Saatgutbank und einen Marktstand, um ihr Gemüse in der Nähe des Gemeinschaftsgartens zu verkaufen. Auch die zunächst aus fünf Frauen bestehende Gruppe hat Zulauf bekommen. Immer mehr Frauen aus der Gemeinschaft haben sich als neue Mitglieder angemeldet.