Kirchen treten ein für eine „Ökonomie des Lebens“

„Wenn die Welt aber Gott gehört, können wir unsere Augen nicht vor dem Unrecht verschliessen, das in ihr geschieht“, so das Fazit von Bischof i. R. Dr. Zephania Kameeta (ELKRN) zum Thema Wirtschaftsgerechtigkeit. Foto: LWB/C. Kästner

Bischof i. R. Dr. Zephania Kameeta: Hefe sein, die dafür sorgt, dass der Brotteig aufgeht

(LWI) – Das ökumenische ExpertInnengremium, das mit der Aufgabe betraut ist, Möglichkeiten einer neuen internationalen Wirtschafts- und Finanzarchitektur auszuloten, ist vom 15. bis 17. Januar in Genf zu seiner zweiten Tagung zusammengetreten. Es entwickelte Advocacy-Strategien, mit denen die Kirchen für Wirtschaftsgerechtigkeit und das ökologische Wohl der Menschen eintreten können, denen sie dienen. Das Gremium war, in der Folge einer Konferenz, die 2012 in São Paulo stattgefunden und sich mit der Thematik einer neuen Wirtschafts- und Finanzarchitektur befasst hatte, im vergangenen Jahr vom Ökumenischen Rat der Kirchen, der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, dem Lutherischen Weltbund (LWB) und dem Council for World Mission einberufen worden. Die Teilnehmenden der Konferenz in São Paulo hatten eine Erklärung vorgelegt, in der sie eine faire Wirtschaftsarchitektur skizzierten, die u. a. der Habgier Grenzen setzen und mit sozialen und ökologischen Aufgaben verantwortlich umgehen soll.

Die Lutherische Welt-Information (LWI) sprach mit Bischof i. R. Dr. Zephania Kameeta von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia (ELKRN), der Mitglied des LWB-Rates ist und in dem ExpertInnengremium den LWB vertritt. Vor dem Hintergrund der Situation in seinem Heimatland beschreibt Bischof Kameeta seine Vorstellungen von einer gerechten Volkswirtschaft.

LWI: Warum ist es Ihnen als Vertreter der ELKRN wichtig, in diesem Gremium mitzuwirken?

In erster Linie vertrete ich den LWB als Ratsmitglied. Gleichzeitig komme ich aber auch aus dem Süden. Ich finde das Thema sehr wichtig, weil man die ökonomische nicht von der ökologischen Krise trennen kann. Sie sind miteinander verflochten. In Namibia herrscht Dürre. Es hat seit mehreren Jahren nicht geregnet. Die Vegetation ist verschwunden, die Region wird zur Wüste. Die Existenz vieler Menschen hängt von der Viehhaltung ab, aber das Vieh verendet. Üblich ist traditionelle Kleidung, aber die Menschen können sie nicht mehr tragen, weil es immer kälter wird. In letzter Zeit habe ich gesehen, dass die Menschen jetzt Decken über ihrer schönen traditionellen Tracht tragen. Ihre Kinder kommen mit Erkältungen und Bronchitis ins Krankenhaus. Das sind die Auswirkungen des Klimawandels, er zerstört die Menschen und ihre Kultur. Aber die Menschen hier haben keine Autos, die Umweltverschmutzung, die den Klimawandel verursacht, kommt von anderswo. Das wiederum ist das Ergebnis einer falschen Wirtschaftspolitik.

LWI: In der Erklärung von São Paulo ist von einer „Ökonomie des Lebens“ die Rede. Wie könnte so etwas in Ihrem Land aussehen?

Namibia ist sehr reich – wir haben Bodenschätze, Diamanten und Uran. Aber angesichts der bitteren Armut vom reichen Namibia zu sprechen, ist ein Skandal. Ich wünsche mir einen verantwortungsvollen Umgang mit unserem Wohlstand. Wir wollen, dass die Ressourcen gerecht verteilt werden. Die Wertschöpfung aus den Rohstoffen, die in Namibia abgebaut werden, sollte in Namibia stattfinden. Vielleicht fehlt es uns an den Fachkräften, um diese Aufgaben zu bewältigen, aber diejenigen, die über die Möglichkeiten verfügen, sollen in Namibia tätig sein, die Menschen hier ausbilden und hier, nicht in ihren Ländern, Arbeitsplätze schaffen! Wir regen überall, wo wir hinkommen, zur Diskussion über diese grundlegenden Fragen und zu entsprechendem Handeln an. Vielleicht werden wir so ein klein wenig zur Hefe, die dafür sorgt, dass der Brotteig aufgeht.

LWI: Die Erklärung von São Paulo fordert eine „aktive Radikalisierung unseres theologischen Diskurses“. Was bedeutet das für Sie?

Mein Glaube an Jesus Christus radikalisiert mein Weltbild. Ich engagiere mich nur wegen meines Glaubens. In der Offenbarung sagt uns Christus: Ich mache alles neu. Das gilt für Tradition, Kultur, Politik, Wirtschaft, Geld usw. Unser Glaube radikalisiert uns also, so dass wir die Welt anders sehen.

LWI: Warum sollte die Kirche sich für politische und wirtschaftliche Fragen einsetzen?

Vor wie nach der namibischen Unabhängigkeit (1990]) hiess es: Die Kirche sollte sich aus der Politik heraushalten. Wenn die Welt aber Gott gehört, können wir unsere Augen nicht vor dem Unrecht verschliessen, das in ihr geschieht. Die Bibel macht da keinen Unterschied. Mose wurde zum Pharao gesandt, um ihn aufzufordern: Lass mein Volk ziehen. Das ist ein politischer Akt!

Erklärung von São Paulo (in englischer Sprache)