Kirchen haben entscheidenden Anteil am Friedensprozess im Südsudan

Menschen im Südsudan bauen ihre Häuser wieder auf, nachdem das Dorf im Jonglei-Distrikt zerstört worden war. Foto: ACT/Paul Jeffrey

Podiumsdiskussion über die Zivilgesellschaft und die Friedensarbeit im Südsudan

GENF (LWI) – Schluss mit dem Morden im Südsudan, damit die Zivilgesellschaft Raum für ihre Friedensinitiativen bekommt und die unmittelbar betroffene Bevölkerung auf nationaler Ebene eingebunden werden kann. Dies war der allgemeine Konsens während einer Podiumsdiskussion zum Thema „Friedensarbeit an der Basis: die Aufgabe der örtlichen Zivilgesellschaft im Südsudan" am 28. September 2016 in Genf. Zu der Diskussion hatten der Lutherische Weltbund (LWB), die Inclusive Peace and Transition Initiative, der Ökumenische Rat der Kirchen und die Finnische Kirchenhilfe eingeladen.

Die Zivilgesellschaft hat nach Aussage von Pater James Oyxet Latansio, dem Generalsekretär des Südsudanesischen Kirchenrates, keine oder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, angesichts des Bürgerkrieges in dem Land aktiv zu werden. „Die Kirche ist immer da, begleitet die Menschen in ihrem Schmerz und ihrer Trauer und betet mit ihnen", sagte er und wies auf die Berufung der Kirche hin, jenseits aller Ethnien ein Zeugnis für Friede und Hoffnung auch inmitten des Bürgerkrieges abzulegen.

Latansi betont besonders die Rolle der Jugend und der Frauen, die die traditionellen Führer beim Aufbau einer breiten, sich für den Frieden einsetzenden nationalen Basis unterstützen sollen. „Die Frauen in unserer Kirche sind eine starke Kraft", sagte er. „Sie sind es, die mir Hoffnung geben.“

Menschen an der Basis einbinden

Die Kirchen – so der allgemeine Konsens – spielen eine wichtige Rolle in einem Friedensprozess, da sie in unmittelbarem Kontakt zu den Betroffenen in der Gesellschaft stehen. „Die Zivilgesellschaft im Südsudan entwickelt sich gerade erst, sie ist noch schwach und fragmentiert", erklärte John Ashworth, Berater des Südsudanesischen Kirchenrates, die Situation. „Sie ist auch eng mit den städtischen Eliten verbunden, deren Wirklichkeit sich stark von den Lebensrealitäten der Mehrheit der südsudanesischen Bevölkerung unterscheidet."

Auch mit einer starken Basis in der Bevölkerung stehen die Kirchen und andere Akteure des Friedensprozesses jedoch immensen Herausforderungen im südsudanesischen Kontext gegenüber. Das jüngste Land der Welt hat sich 2011 nach 30 Jahren Bürgerkrieg die Unabhängigkeit vom Sudan erkämpft. Zwei Jahre später kam es in der südsudanesischen Hauptstadt Juba zu ersten Kämpfen, die sich bald entlang ethnischer Grenzen entwickelten und ein Spiegelbild der politischen Zugehörigkeit ethnischer Gruppen zu unterschiedlichen Führern sind.

Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmorde und Angriffe auf die Zivilbevölkerung und humanitäre Hilfeorganisationen bestimmen seither das Leben der Menschen im Südsudan. Eine Million sind schon in Nachbarländer geflohen. Die Hoffnung auf Frieden wurde im Juli 2016 brutal zerschlagen, als ein Friedensabkommen gebrochen wurde und die Kämpfe wieder aufflammten.

Kein Raum für einen Dialog

„Um überhaupt etwas bewirken zu können, braucht die Zivilbevölkerung Handlungsspielraum", sagte Teohna Williams, die als Beraterin den Konflikt im Südsudan tätig ist. Diesen Spielraum zu finden sei jedoch in der aufgeheizten Atmosphäre im Südsudan heute fast unmöglich, fügte sie hinzu.

Williams nannte als Beispiel die Forderung von Zivilisten, das Militär möge sich aus Sicherheitsgründen aus ihrem Dorf zurückziehen. Der Abzug dieser speziellen Truppe wurde jedoch als strategischer Vorteil für die oppositionelle Miliz gedeutet: „Wir haben oft Situationen, in denen eine Lösung in Wirklichkeit dazu beiträgt, dass die Gewalt immer weitergeht", sagte Williams.

Hoffnung für Liberia

 „Jede Lösung zwingt uns dazu, Kompromisse einzugehen, die niemand will, aber es gibt Beispiele, aus denen wir Hoffnung schöpfen können", sagte Matthias Wevelsiep, leitender Berater für das Recht auf Frieden bei der Finnischen Kirchenhilfe. In diesem Kontext erwähnte er die Friedensprozesse in Liberia. „Wir müssen auch dafür sorgen, dass der Friedensprozess weniger stark auf die internationale Ebene fokussiert ist, sondern mehr auf das südsudanesische Volk."

Als Berater des Südsudanesischen Kirchenrates empfahl Ashworth ebenfalls, Friedensprozesse in kleinen Schritten anzugehen. Das gelte besonders dann, wenn auch Diskussionen über Gerechtigkeit geführt werden. „Wenn wir über Gerechtigkeit reden, dann denken wir in erster Linie an retributive Gerechtigkeit", sagte er. „Natürlich sollte es in dem gesamten Prozess auch um Rechenschaft gehen. Aber in erster Linie sollten wir der retributiven, wiedergutmachenden Gerechtigkeit den Vorzug geben.  Wir brauchen neutrale Formen der Versöhnung, zu einem späteren Zeitpunkt können wir uns dann mit der Strafgerichtsbarkeit befassen. Hier gibt es keine schnellen Lösungen – der Friedensprozess kann durchaus 10 oder 20 Jahre dauern."

Auch das gescheiterte Friedensabkommen wurde als Etappe auf diesem Weg gesehen. „Wir wussten, dass das Abkommen Mängel hatte", sagte der südsudanesische Konfliktberater Williams. „Wir haben uns trotzdem für seine Unterzeichnung verwendet. Selbst wenn nur eine Waffenruhe dabei herauskommt, öffnet sich ein Fenster für weitere Chancen."

 

Der LWB setzt sich seit vielen Jahren für den Frieden im Südsudan ein. Das LWB-Weltdienstprogramm im Südsudan unterstützt Binnenvertriebene durch humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe, während LWB-Programme in den Nachbarländern Äthiopien, Kenia und Uganda Tausende südsudanesische Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern Gambella, Adjumani und Kakuma unterstützen

Die aus dem Südsudan geflohene Olympiateilnehmerin Rose Nathike Lokonyen wird auf der gemeinsamen ökumenischen Gedenkfeier des LWB Zeugnis ablegen, auf den Konflikt im Südsudan aufmerksam machen und sich für Frieden und Flüchtlingsrechte einsetzen.