Kirche online: „Es muss nicht immer aufwändig sein“

Wie viele seiner Kollegen hat auch Social-Media-Koordinator Karsten Kopjar in den vergangenen Monaten viel Zeit in seinem Home-Office verbracht. Foto: privat

Interview mit Karsten Kopjar, Social-Media-Koordinator der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland

ERFURT, Deutschland/GENF (LWI) – „Mich begeistert die Möglichkeit, im Internet mit ganz unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen und geistliche Erfahrungen zu machen“, so Dr. Karsten Kopjar, Social-Media-Koordinator der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM).

Der Medienwissenschaftler und Theologe promovierte zu geistlicher Online-Kommunikation und engagiert sich mit vielen Ideen, Kreativität und Herzblut bei der Entwicklung von Online-Angeboten für seine Kirche.

Im Interview spricht er über Möglichkeiten und Wege, in Zeiten der Pandemie auf digitalem Wege Kirche zu sein und Menschen zusammenzuführen, zu begleiten und zum Mitmachen einzuladen.

Wie verläuft die Adventszeit in diesem Jahr in der EKM, und wie bereiten Sie sich auf das Weihnachtsfest vor?

Auch, wenn viele kontaktintensive Dinge wie Weihnachtsmärkte, volle Gottesdienste und Konzerte leider nicht möglich sind, finden viele Gemeinden Möglichkeiten, sich auf Abstand zu begegnen und miteinander auf das Christfest vorzubereiten.

Es gibt kleine meditative Feiern und Hausandachten. Dafür haben wir einen Hör-Weg als Audio-CD oder direkt online (ekmd.de/hoerweg) bereitgestellt.

Über unsere OnlineKirche (onlinekirche.net), die wie eine Internet-Gemeinde funktioniert, bieten wir geistliche Impulse und Gottesdienste mit interaktiven Elementen, aber auch Raum für Gebet und Treffen mit anderen Mitgliedern, Interessierten und Freunden der Online-Gemeinde.

In einem dritten Format präsentieren ganz unterschiedliche Musikerinnen und Musiker, Chöre und Ensembles Adventslieder im singenden Adventskalender (ekmd.de/advent).

Es ist also eine bunte Mischung aus physischen und digitalen Aktionen.

Welche Bedeutung haben hierbei die Sozialen Medien?

Kirchen sind auf Begegnung ausgelegt. Und SocialMedia können Begegnung schaffen. Quarantäne und Kontaktbeschränkungen können zu Einsamkeit führen. Da sind kreative Formate gefragt, um gerade jetzt echte Gemeinschaft zu erleben. In der EKM läuft seit März auf Facebook eine wöchentliche Abendandacht #trotzdemverbunden mit Lied und Gebet von Landesbischof Friedrich Kramer. Nichts aufwändiges, aber es gibt viele positive Rückmeldungen.

Es gibt natürlich auch Negativbeispiele, wo Menschen online stänkern oder Kommunikation nicht gelingt, weil man eine Textnachricht falsch interpretiert hat. Da hilft es, wohlwollend nachzufragen, was das Gegenüber meint, kleine Fehler zu vergeben und selbst positive Signale zu senden.

Halten Sie digitale Weihnacht für eine (gute) Option?

Online zu Weihnachten mit weit entfernt lebenden Verwandten eine Videokonferenz abzuhalten, ist eine super Möglichkeit, sich wahrzunehmen, wenn man sich nicht besuchen kann. Wenn die Familie im Nachbardorf wohnt und es erlaubt ist, ist ein gemeinsamer Abend im Wohnzimmer aber sicherlich schöner als sich nur am Bildschirm zu sehen. Hier müssen die Menschen selbst entscheiden, wann welche Begegnung passt.

Welche Lernprozesse haben Kirchengemeinden und andere Akteure in der EKM in den vergangenen Monaten durchlaufen?

Zu Beginn der Kontaktbeschränkungen haben viele Gemeinden angefangen, mit ganz einfachen Methoden Gottesdienste ins Internet zu stellen. Das war kreativ und sehr engagiert. Technisch war es nicht immer perfekt, da haben einige Beteiligte über das Jahr viel gelernt. Passende Kameraführung, Ausleuchtung, guter Ton und ein passendes Setting haben viele Produktionen besser gemacht. Einige Gottesdienste werden live aus der Kirche gestreamt, sodass man direkt interagieren kann. Andere werden aufwändig vorproduziert, sodass mehrere Drehorte zu sehen sind und die Bildsprache optimal passt.

Es muss nicht so aufwändig sein, wie professionelle TV-Teams arbeiten, ein verständlicher Ton und ein persönlicher Anknüpfungspunkt an bekannte Personen, Orte oder Themen reichen oft aus, um Menschen zu begeistern. Teilweise waren dann online deutlich mehr Menschen dabei als vor Ort in der Kirche.

Jetzt überlegen viele Gemeinden, wie sie langfristig mit diesen Menschen in Kontakt bleiben können, während auch der Gemeindealltag vor Ort weiter gehen soll. Optimal wird es ein Hand-in-Hand zwischen Online-Inhalten und Veranstaltungen vor Ort, aber das muss jede Gemeinde lokal entscheiden.

Welche Bedeutung haben ökumenische und internationale Verbindungen, beispielsweise zum Lutherischen Weltbund, in der aktuellen Situation?

Die Krise hat erstmal jede Gemeinde ganz lokal betroffen. Alle mussten Lösungen für ihre eigenen Probleme finden. Doch schnell haben viele gemerkt, dass andere (z.B. katholische oder freikirchliche) Gemeinden vor Ort ganz ähnliche Probleme haben, und es ergaben sich Kooperationen. Gemeinsame Gottesdienste, gemeinsame Onlineformate, gemeinsame Schulungsangebote. Das hat die Ökumene näher zusammengebracht.

Durch die weltweite Pandemie ist auch die Wahrnehmung von Christenmenschen rund um den Globus gestiegen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang mit der Krise werden deutlich und der gemeinsame Glaube bestärkt. Viele Gemeinden haben bestehende Partnerschaften stärker wahrgenommen und die neu entdeckte digitale Technik genutzt, um auch global in Verbindung zu bleiben.

Was ist Ihre persönliche Weihnachtsbotschaft in diesem Jahr?

Gott wird Mensch! Er macht sich klein, um als einer von uns vorzuleben, was echte Liebe ist. Dem Beispiel können wir folgen und uns selbst sowie unseren Mitmenschen in kleinen Begegnungen gutes gönnen.

Vielleicht einfach mal kurz danke sagen oder jemand einsamen anrufen und sich Zeit nehmen. Gerne mit digitalen Mitteln oder auch bei einer Tasse Tee. Persönliche Gemeinschaft ist oft wichtiger als große Projekte.

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.