Junge Frauen aus Kakuma sprechen über Gendergerechtigkeit

Teilnehmerinnen des Webinars nach der Sitzung im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia. Foto: LWB/A. Omagwa

Webinar aus einem Flüchtlingslager in Kenia gibt jungen Flüchtlingsfrauen eine Stimme

KAKUMA, Kenia/GENF (LWI) – Junge Frauen im Flüchtlingslager Kakuma müssen zahlreiche Hindernisse überwinden, wenn sie gleiche Chancen wie Männer und Jungen einfordern. In einem Webinar mit dem Titel: „Emerging Women who Choose to Challenge“ haben junge Flüchtlingsfrauen und Personal des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Kakuma darüber berichtet, welche alltäglichen Kämpfe sie ausfechten müssen, um ihre Träume wahr werden zu lassen und ihren Wunschberuf ergreifen zu können.

„Für Frauen ist es immer noch alles andere als einfach, ihre Meinung zu äußern“, sagte Hilda Thuo, LWB-Livelihood-Beauftragte für das Kakuma Area Program und Mitglied des LWB-Kenia-Somalia-Aktionsteams für Gendergerechtigkeit. Sie wies dabei besonders auf die Bedeutung der kulturellen Dynamik der Genderbeziehungen im Flüchtlingslager Kakuma hin. „Viele Gemeinschaften halten nach wie vor an kulturellen Praktiken fest, die Frauen davon abhalten, ihre Ziele zu erreichen.“

Der LWB Kenia hat das Webinar anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März veranstaltet. Der LWB in Kenia ist die führende Organisation für die Durchführung von Bildungsprogrammen in den Flüchtlingslagern Kakuma und Dadaab. 

Mädchen arbeiten, Jungs lernen

Während des Webinars berichteten junge Flüchtlinge in Führungsfunktionen im Lager Kakuma darüber, welchen Problemen Frauen und Mädchen im Lager begegnen. Viele dieser Probleme sind systembedingt und beginnen schon im frühen Alter: weibliche Schüler werden gezwungen, die Schule zu vernachlässigen und häusliche Pflichten zu übernehmen. Damit haben sie es schwerer, ihre Schulaufgaben zu machen und an Aktivitäten außerhalb des Hauses teilzunehmen. „Die Mädchen arbeiten, während es den Jungs erlaubt wird, zur Schule zu gehen“, sagte Biliny Manyaga, ein südsudanesisches Model, das im Kakuma eine prominente Führungsfigur der jungen Menschen ist.

Weibliche Teenager sind ständig der Gefahr ausgesetzt, zu einer Frühehe gezwungen zu werden, damit die Familie des Mädchens eine Mitgift erhält. Frauen, die Analphabetinnen sind oder kein Englisch sprechen, haben größere Probleme, bei der Jobsuche in die engere Auswahl zu kommen. Ehemänner und Stiefväter entscheiden darüber, ob eine Frau außerhalb des Hauses arbeiten darf. Sie kontrollieren das Familieneinkommen und oftmals auch die reproduktive Gesundheit der Frauen. „Wenn Frauen ihre Meinung sagen, werden sie geschlagen“, hat Biliny beobachtet. „Sie haben keine Rechte, und sie haben keine Stimme in ihrer Familie. Mädchen werden lediglich als eine Quelle des Wohlstandes angesehen wegen der zu erwartenden Mitgift.“

Genderfragen zu einem allgegenwärtigen Thema machen

„Der LWB nimmt sich viele dieser Themen durch Peer-Mentoring-Programme, Beratungsgruppen und Überweisungspfade in Fällen sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt an“, sagte Saara Vuorensola-Barnes, die LWB-Länderrepräsentantin für das Kenia-Somalia-Programm.

„Gendergerechtigkeit ist ein Aspekt in unserer gesamten Arbeit“, sagte sie und berichtete darüber, wie der LWB dafür sorgt, dass Mädchen die Grundschule abschließen, eine weiterführende Schule besuchen und sogar noch höhere Bildungsgänge wahrnehmen. Livelihood-Projekte und Jugendprogramme verfügen über integrierte Mechanismen, um Frauen und Mädchen zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie ihr Potenzial umsetzen können.

Wirtschaftliche Autarkie erlangen

Die jungen Frauen, die für diese Flüchtlingsgruppe sprechen, erklärten, dass mehr Internatsschulen erforderlich seien, auch für lernende Erwachsene. Sie fordern ebenfalls eine selbstbestimmte reproduktive Gesundheit. Fehlen so grundlegende Artikel wie Binden, hat das zur Folge, dass Mädchen jeden Monat eine Woche Unterricht verpassen. Die jungen Frauen haben seit Dezember wiederholt über Engpässe bei Hygieneartikeln infolge der COVID-19-Einschränkungen gesprochen.

„Führungsqualitäten sind auf allen Ebenen angesagt“, sagte Maria Immonen, Direktorin der Abteilung für Weltdienst des LWB.  Sie ermutigte deshalb junge Frauen in Kenia, die Gelegenheit und die ihnen zur Verfügung stehenden Freiräume zu nutzen, indem sie Erkenntnisse weitergeben und sich gegenseitig unterstützen.

Alle Teilnehmenden des Webinars waren sich einig, dass wirtschaftliche Autarkie eine Grundvoraussetzung für die Unterstützung von Frauen auf dem Weg zu Führungspositionen ist. Die Unterstützung von Schülerinnen, Stipendien für die Hochschulbildung und der Aufbau von Kapazitäten sind erforderlich, um diese Ungleichheiten aus dem Weg zu räumen.

Dies wird auch in den Schulen sichtbar – nur wenige Lehrkräfte sind Frauen, so dass es den Mädchen an Vorbildern und Unterstützung fehlt. „Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder“, sagte Awak Duet, eine junge Lehrerin und Geschäftsinhaberin in dem Lager. Sie hofft, dass einige erfolgreiche Athletinnen, die aus den Fußball- und Basketballteams des Lagers kommen, zurückkehren und über die Geheimnisse ihres Erfolgs berichten. Dies würde andere Mädchen motivieren, sich noch höhere Ziele zu stecken und zu versuchen, noch mehr zu erreiche. Sie fügte hinzu: „Wir müssen dafür sorgen, dass erfolgreich Frauen zu unserer Gemeinschaft kommen und den Mädchen erzählen, wie sie ihren Weg gemacht haben.“

Von LWB/C. Kästner. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken, Redaktion: LWB/A. Weyermüller

 

Der LWB in Kenia ist die führende Organisation für die Durchführung von Bildungsprogrammen in den Flüchtlingslagern Kakuma und Dadaab. Mehr als 100.000 Schüler und Schülerinnen lernen in den vom LWB geleiteten Schulen. Der LEB führt ebenfalls Sport- und Kulturprogramme für junge Menschen in Kakuma durch, dazu gehören zum Beispiel die Kakuma Premier League, Basketball-Teams und die jährliche Talentshow „Kakuma Got Talent“.