Industriestaaten tragen „moralische Verantwortung“ für Folgen des Klimawandels

Teilnehmende an der Podiumsveranstaltung am 27. März im Deutschen Bundestag (v.l.): Lisa Binder (Brot für die Welt), Sabine Minninger (Referentin für Klimapolitik, Brot für die Welt), Maina Talia (Teilnehmerin aus Tuvalu), Claudia Roth (deutsche Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages), Dr. Julia Duchrow (Leiterin Referat Menschenrechte und Frieden, Brot für die Welt), Sophie Gebreyes (LWB-Länderprogramm Äthiopien). Foto: Sabine Minninger/BftW

LWB-Vertreterin in Äthiopien wendet sich vor Europawahlen an deutsche Politik

Berlin, Deutschland/Genf (LWI) – Die verheerenden Auswirkungen von Klimawandel und Konflikten auf die ländlichen Gemeinschaften in Äthiopien standen im Mittelpunkt einer Präsentation der Vertreterin des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Ostafrika, die diese kürzlich im Deutschen Bundestag gehalten hat.

Sophie Gebreyes, die Vertreterin des LWB in Äthiopien, hat am 27. März an einer Podiumsveranstaltung teilgenommen, die von der deutschen Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, organisiert worden war. Unter dem Motto „Klimabedingte Wanderungsbewegungen – neue Instrumente im Völkerrecht?“ wollte die Podiumsdiskussion im Vorfeld der Europawahlen in Deutschland am 26. Mai Bewusstsein schaffen für die Themen Umwelt und Migration.

Im Publikum saßen Mitglieder des Bundestages sowie Klimaexpertinnen und -experten. Gebreyes hob hervor, dass aktuell 8,86 Millionen Menschen in Äthiopien auf humanitäre Hilfe angewiesen seien. Mehr als ein Drittel davon (3,19 Millionen Menschen oder 36 Prozent) sind Binnenvertriebene, was Äthiopien den wenig beneidenswerten Titel des „Landes mit den weltweit meisten Binnenvertriebenen“ eingebracht habe, so Gebreyes. Zusätzlich lebten in Äthiopien nahezu 900.000 Menschen, die vor den Konflikten in den Nachbarländern geflohen seien.

Gebreyes wies darauf hin, dass die Zahl der Binnenvertriebenen überwiegend auf wiederholte klimabedingte Dürren und andere wetterbedingte Krisen zurückzuführen seien, die in den vergangenen Jahren dramatische Auswirkungen für die ländlichen Gemeinschaft gehabt hätten. Während Wetterphänomene wie El Niño and La Niña früher etwa alle acht bis zehn Jahre auftraten, erklärte sie, seien sie heute sehr viel häufiger und unvorhersehbarer und träten etwa alle zwei Jahre auf (2016, 2017 und wahrscheinlich 2019). Die verheerendste Folge dabei sei, so Gebreyes, dass zwischen den Krisen nicht genug Zeit bleibe, dass die Menschen sich erholen und eine Resilienz entstehen könnte.

Klima- und konfliktbedingte Vertreibung

Neben den Vertreibungen aufgrund des Klimas leiden viele Menschen in Äthiopien auch unter den Folgen wiederholter lokaler Konflikte, die 2017 und 2018 in nie gekanntem Maße eskalierten. Die Wurzeln für diese Konflikte liegen in der Konkurrenz zwischen verschiedenen Gemeinschaften um knappe Ressourcen wie Wasserrechte, Landnutzung und den Zugang zu Weideflächen für ihr Vieh.

Es gäbe zudem weitere Faktoren, die die komplexe Situation in Äthiopien noch komplizierter machten – Umweltzerstörung, sozioökonomische Probleme, demografischer Druck, Infrastrukturentwicklung und die Staatsführung, erläuterte Gebreyes. Die Auswirkungen der Zwangsmigration seien nicht nur wirtschaftliche und materielle Schäden, sondern auch Menschenrechtsverletzungen, tiefe Brüche und Zerfall im Sozialgefüge, in Netzwerken und in Beziehungen, Gefahren für die kulturelle Identität und Gesundheit, Vernichtung des sozialen Kapitals und natürlich der Verlust von Menschenleben, so Gebreyes.

Aufruf an Industriestaaten

An das Ende ihrer Präsentation stellte Gebreyes drei Aufrufe an die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, dem LWB und anderen Partnern dabei zu helfen, Äthiopien von diesen immer wiederkehrenden Krisen zu befreien. Erstens, so Gebreyes, werde humanitäre Hilfe benötigt, die mit effektiven Lösungen für Entwicklung, Frieden und Sicherheit verbunden werden kann.

Zweitens müssten die Industriestaaten, die für einen Großteil der Treibhausgase verantwortlich seien, finanzielle Mittel zur Anpassung an den Klimawandel und zur Schaffung von Resilienz zur Verfügung stellen, da Äthiopien derzeit nicht die notwendigen finanziellen oder technischen Kapazitäten habe, um selbst mit den Auswirkungen des Klimawandels fertig zu werden.

Schließlich, so Gebreyes, brauche es neues verbindliches Völkerrecht für Binnenvertriebene, um den Schutz der Rechte dieser Millionen von Menschen auf der Flucht sicherstellen zu können. Deutschland und andere Industriestaaten, sagte sie abschließend, müssten ihrer moralischen Verantwortung nachkommen und ihren Teil dazu beitragen, dass auf die Bedürfnisse der Länder eingegangen werden kann, die die Hauptlast des Klimawandels tragen.

 

LWB-Äthiopien ist eines von 23 Weltdienstprogrammen und seit über 40 Jahren aktiv. Ursprünglich wurde eine Präsenz des LWB in Äthiopien 1973 auf Bitte der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus (ÄEKMY) eingerichtet, um das durch die schwere Dürrekatastrophe ausgelöste Leiden der Menschen im Land zu lindern.

Der LWB arbeitet dort mit Flüchtlingen, Vertriebenen und den lokalen Gemeinschaften, die die Menschen aufnehmen, schafft mit ihnen Resilienz und nachhaltige Lebensgrundlagen und leistet humanitäre Hilfe wie Wasserver- und Abwasserentsorgung und sanitäre Einrichtungen, hilft bei der Existenzsicherung, engagiert sich im Umweltschutz und leistet psychosoziale Unterstützung.

LWB-Äthiopien hat sich auf die Fahnen geschrieben, den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft zu helfen, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht, ihrer Religion, ihrer Rasse oder politischen Überzeugung.