Indonesien: Gemeinschaft „der Umwelt zuliebe“ stärken

Pfr. Dr. Batara Sihombing, Generalsekretär der Indonesischen Christlichen Kirche

HKI-Generalsekretär Batara Sihombing erläutert öko-theologisches Projekt 

PEMATANG SIANTAR, Indonesien/GENF (LWI) – Eine öko-theologische Initiative in Indonesien ändert auf lokaler Ebene Einstellungen zur Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung und stärkt religionsübergreifend den Zusammenhalt in der Gemeinschaft. 

Anlässlich der Zeit der Schöpfung, die vom 1. September bis zum 4. Oktober gefeiert wird, berichtet Pfr. Dr. Batara Sihombing, Generalsekretär der Indonesischen Christlichen Kirche (Huria Kristen Indonesia – HKI), wie die Kirche junge Erwachsene, Pfarrpersonen und Sonntagsschul-Lehrkräfte in Umweltthemen ausbildet, den interkonfessionellen Dialog über Klimagerechtigkeit fördert und sich für mehr Selbstbestimmung von Frauen stark macht. Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt das Projekt seit den Anfängen im Jahr 2018.

Bitte erläutern Sie die Absicht dieses öko-theologischen Projektes der HKI.

Wir haben das Projekt im Januar 2018 in Pematang Siantar in der Provinz Nordsumatra ins Leben gerufen. Das Ziel besteht darin, bei den Kirchenmitgliedern, anderen Gläubigen und der Gemeinschaft insgesamt ein Bewusstsein dafür entstehen zu lassen, dass wir die Erde als unsen gemeinsamen Lebensraum behandeln müssen, den wir in verantwortungsvoller Weise pflegen und erhalten müssen. Unser christlicher Glaube verpflichtet uns zu dieser Aufgabe: „Und Gott … nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte (1. Mose 2,15).“ 

Indonesien hat eine Bevölkerung von 264 Millionen Menschen. Davon lebt die Hälfte in Ballungsgebieten. Wir erleben eine ökologische Krise, die in erster Linie auf die Umweltauswirkungen der zunehmenden Industrialisierung und andere Eingriffe des Menschen zurückzuführen ist – Verschmutzung, Lärm, Privatisierung der Wasserwirtschaft, Entwaldung und so weiter. Es setzt sich eine Kultur des Konsumismus durch. Das hat zur Folge, dass Menschen ihren persönlichen Vorteil und Nutzen höher werten als unsere gemeinsame Umwelt. 

Das öko-theologische Projekt unserer Kirche ist eine gute Möglichkeit, mit Menschen aus verschiedenen Kontexten und ungeachtet ihres Glaubens, Geschlechts, Alters, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihres sozialen Status im Interesse der Ökologie zusammenzuarbeiten. Zwar hat die COVID-19-Pandemie vielen unserer geplanten Aktivitäten einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber wir hoffen, die Arbeit wiederaufnehmen zu können, sobald sich die Situation verbessert.

Wie sprechen Sie junge Menschen an? 

Wir haben mehrere Aktivitäten. Das Jugendfestival für Öko-Theologie bringt junge Menschen aus lokalen Gemeinden zusammen, die sich gemeinsam Gedanken über den Erhalt des reichen Naturerbes unseres Landes machen. Im vergangenen Jahr haben wir in Parapat in der Nähe des Tobasees einen dreitägigen Workshop veranstaltet, an dem 450 junge Erwachsene teilgenommen haben.  Fachleute, darunter ein Therapeut, ein Umweltaktivist und ein Theologe, haben sich Gedanken über das Verhältnis zwischen Glauben und Umwelt gemacht. Die Halbinsel Samosir, auf der sich der Tobasee befindet, war auch der Versammlungsort für die Kampagne Cycling for Justice (Radfahren für Gerechtigkeit), bei der Studierende der Universität mit dem Fahrrad auf die Insel geradelt sind und sich dort über lokale Kultur und Traditionen kundig gemacht haben.

Die Projekte der Live in Society for Young People sehen vor, dass junge Menschen aus anderen Regionen bei Mitgliedern der HKI-Gemeinde wohnen und dort die Fähigkeiten und Kompetenzen lernen, als Friedensboten für ein gerechtes Klima und eine gerechte Erde zu wirken. Eine Gruppe von fast 50 jungen Erwachsenen hat drei Tage in dem Dorf Sigaol, 40 Kilometer von Pematang Siantar entfernt, bei ihren Gastfamilien verbracht und mit ihnen Bibelarbeiten über ökologische Themen durchgeführt,  praktische Erfahrungen gesammelt und Zeit für persönliche Reflexionen genutzt. Das Ziel ist, junge Menschen in die Lage zu versetzen, das Thema Ökologie kritisch in einen Kontext mit Politik, Ökonomie, sozialen und kulturellen Dimensionen, Ökumene und religiöser Vielfalt zu stellen.

Rund 40 Prozent der Menschen, die in indonesischen Städten leben, haben keinen Zugang zu effizienten Entsorgungsdienstleistungen. In Pematang Siantar haben Fachleute auf diesem Gebiet von der HKI-Jugend geleitete Initiativen zur Reinigung von Straßen und Marktplätzen unterstützt und damit gemeinsame Projekte gefördert, um die Stadt sauber und gesund zu halten.

Inwiefern bindet das Projekt Kirchenleitende und Pfarrpersonen ein?

Wir haben mehrere Kompetenzschulungen durchgeführt, damit Fachleute mit Pfarrpersonen und anderen Kirchenleitenden die örtlichen und globalen Zusammenhänge zwischen Ökotheologie und den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen nachvollziehen können und erfahren, wie man an Informationen über unterschiedliche Themen kommt. Am Ende dieser Sitzungen haben sich die Teilnehmenden dazu verpflichtet, ein Umweltprojekt zu fördern, an dem die HKI andere Kirchen, Glaubensrichtungen, die Regierung und interne Stakeholder beteiligen wird.

Wie sieht es mit anderen Kategorien von kirchlich engagierten Mitarbeitenden aus?

Bereits in früher Kindheit ist Unterricht über Umweltthemen wichtig, damit schon zu diesem Zeitpunkt ein Bewusstsein über unsere Verantwortung gegenüber der Schöpfung entsteht. Wir arbeiten deshalb mit Lehrkräften von Sonntagsschulen zusammen und überlegen, wie wir den Kindern schon im frühen Alter eine Einstellung vermitteln können, die die Umwelt als hohes Gut ansieht. Dazu gehören die Suche nach Kinderliedern, in denen Umweltthemen eine Rolle spielen, und die Einbindung von Familienmitgliedern in Aktivitäten, die für ökologische Themen sensibilisieren. Das machen wir nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Schule und auf Gemeindespielplätzen. 

Gehen Sie in einem Land mit so vielfältigen Religionen und Kulturen gezielt auf Führungspersönlichkeiten anderer Glaubenstraditionen zu?

Dass Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen Tür an Tür miteinander wohnen, gehört in vielen Teilen Indonesiens zum Alltag. Eine der wichtigsten Erfahrungen, die wir im Dezember des vergangenen Jahres gemacht haben, war ein interreligiöser Dialog über Klimagerechtigkeit in Medan, an dem 120 Menschen teilgenommen haben. Geistliche Führungspersonen, die die traditionelle Glaubensrichtungen der Batak, den Buddhismus, den Hinduismus und den Islam vertreten haben, tauschten sich mit katholischen, lutherischen und anderen christlichen Führungspersonen über ihr Verständnis von Ökologie aus der Sicht ihrer jeweiligen geistlichen Texte und heiligen Schriften aus. Letztlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass unsere Religionen und unser Glaube ein gemeinsames Verständnis haben, wenn es um den Erhalt der Erde und der Schöpfung geht. Auch hier konnten wir aufgrund der COVID-19-Pandemie keine lokalen Workshops zur Vertiefung dieser Themen durchführen, um damit noch mehr Menschen an der Basis einzubinden. 

Wie hat COVID-19 die Projektarbeit beeinträchtigt?

Leider gibt es im Land mehr als 200.000 COVID-19-Fälle, und es sind schon über 8.230 Menschen an der Krankheit gestorben. Die Kirche hat sich an den von der Regierung von März bis Juli verhängten Lockdown und weitere Einschränkungen gehalten, um die weitere Verbreitung der Krankheit einzudämmen. Während die meisten Projektaktivitäten zunächst ausgesetzt wurden, hat das Frauenschulungszentrum oder HKI-Eco-House seine einkommensbildende Arbeit weiter diversifiziert. Dazu gehört jetzt auch die Herstellung von Gesichtsmasken, u. a. mit dem LWB-Logo.

In welchem Zusammenhang steht die ökologische Initiative der HKI mit dem Motto „Jubeljahr für die Erde“ der diesjährigen Zeit der Schöpfung?

Hier bietet sich den Gläubigen die Möglichkeit, eine prophetische Stimme zu sein und uns daran zu erinnern, dass unsere Lebensweise den gesamten Planeten gefährdet. Wir müssen gemeinsam handeln, damit wir unsere gemeinsame Umwelt retten. In diesem Jubeljahr für die Erde erinnert uns Gott, unser Schöpfer daran, dass wir als Gläubige die Erde und die gesamte Schöpfung lieben sollen. 

 

Viele Kirchen in der ökumenischen Familie nehmen die „Zeit der Schöpfung“ (auch Schöpfungszeit genannt) wahr, die sich vom 1. September bis zum 4. Oktober, dem Fest des Heiligen Franziskus von Assisi, erstreckt. Für die lutherische Gemeinschaft ist diese liturgische Zeit des Gebets und Handelns eine Gelegenheit, das Engagement des LWB für die Bewältigung einer zentralen Krise unserer Zeit - des Klimawandels - zu bekräftigen. „Jubeljahr für die Erde“ ist 2020 das Thema für die „Zeit der Schöpfung“.