Hilfe für Überlebende sexueller Gewalt

Mary und ihr Baby. Foto: LWB/M. Renaux

Hoffnung und materielle Unterstützung für traumatisierte Flüchtlinge

(LWI) – Wenn sie spricht, ist ihre Stimme kaum hörbar. Die 16-jährige Mary (alle Namen geändert) hat es sich nicht ausgesucht, Mutter zu werden; doch vor einer Woche hat sie einen Jungen geboren, den sie Emanuel nennt — „Gott mit uns“.

Das Baby liegt, in eine rosa Decke gewickelt, schlafend auf einer Matte, während Mary uns ihre Geschichte erzählt. Sie stammt aus Juba im Südsudan. Als es dort im Dezember 2013 zu Kämpfen kam, floh sie gemeinsam mit ihrer Familie vor dem bewaffneten Konflikt. Auf der Flucht wurden sie jedoch getrennt. Mary wurde angegriffen und vergewaltigt. Später fand sie ihre Grossmutter und schlug sich bis in ein Flüchtlingslager durch, wo sie feststellte, dass sie schwanger war.

Psychologische und materielle Unterstützung

„Als mir klar wurde, dass ich schwanger war, wollte ich etwas einnehmen, um das Baby loszuwerden“, sagt sie, „doch meine Grossmutter meinte, ich solle es nicht tun. Sie sagte, sie würde mir helfen, mich um das Kind zu kümmern.“ Im Aufnahmezentrum des Flüchtlingslagers wurde Mary registriert und erhielt medizinische und psychologische Hilfe im Rahmen eines entsprechenden Programms.

Sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt ist einer der Hauptinterventionspunkte des LWB in Uganda. Das Programm beinhaltet psychologische Unterstützung, die Überlebenden dabei helfen soll, zu einem stabilen Leben, zu Hoffnung, Würde, psychischem und sozialem Wohlbefinden sowie zur Normalität zurückzufinden.

Im Rahmen des Programms des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Uganda wurde eine Hütte für Mary und ihre Grossmutter gebaut; sie erhalten Barzuwendungen und psychologische Unterstützung. „Der Grund für mein Hiersein ist nicht gut, doch hier bekomme ich Hilfe“, sagt Mary, während sie das Baby vorsichtig hochnimmt und zu stillen versucht. „Meine Grossmutter zeigt mir, wie ich das Kind versorgen kann. Ich weiss noch nicht mal, wie man ein Neugeborenes richtig hält.“

Die meisten Flüchtlinge in Uganda stammen aus der Demokratischen Republik Kongo und aus dem Südsudan. „Ich würde sagen, neunzig Prozent der Frauen aus meinem Land, die hier im Lager sind, wurden vergewaltigt“, sagt Ruth (48).

Das Schweigen brechen

Ruth ist eine starke, grosse Frau mit ausdrucksstarken Augen und Händen, die ebenso viel erzählen wie ihre Stimme. Doch bevor sie mit ihrer Geschichte beginnt, schickt die 48-jährige Mutter ihre fünf Kinder aus dem Raum. Sie senkt ihre Stimme, die manchmal zu einem zornigen Flüstern wird, aus Angst, dass die Nachbarn mithören könnten. Die Teenager wissen nicht, dass ihre Mutter vergewaltigt wurde, oder welche schrecklichen Folgen das hatte: Als sie ins Aufnahmezentrum des Flüchtlingslagers kam, vertraute Ruth sich einer der Helferinnen an und wurde untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass sie HIV-positiv war. „In diesem Augenblick verlor ich all meine Energie. Ich konnte nicht aufhören, zu weinen. Ich konnte noch nicht einmal den Raum verlassen“, erinnert sie sich an den schicksalhaften Moment.

„In den folgenden Wochen verlor ich zwölf Kilo.“ Ruth nimmt einen krummen Nagel von der Feuerstelle und ritzt zwei Zahlen in den Lehmboden: 86, 74 – die Gewichtsabnahme, die in ihrer Krankenakte vermerkt ist. „Die LWB-Helferin erklärte mir, dass HIV kein Todesurteil ist. Sie sagte, dass andere vielleicht aus ganz anderen Gründen früher sterben als ich. Sei meinte, ich müsse mich akzeptieren, wie ich bin, und bot mir Hilfe an“, fährt Ruth fort.

Psychisches und körperliches Wohlbefinden

Die Mauer des Schweigens, die Vergewaltigung und HIV umgibt, ist hoch. Die Frauen innerhalb der Gemeinschaft haben Angst, sich den anderen zu offenbaren, auch, wenn sie wissen, dass es noch andere Überlebende unter ihnen gibt. Der Ehemann von Ruth, der bei den Auseinandersetzungen getötet wurde, hat nie erfahren, was seiner Frau geschah. „Wenn er es erfahren hätte, hätte er sich sofort scheiden lassen“, sagt sie und umfasst ihren Ehering, den sie immer noch trägt. „Um deine Familie zu schützen und weiterhin von der Gemeinschaft geachtet zu werden, musst du schweigen.“ Die Helferin, die versprach, Vertraulichkeit zu wahren, war der erste Mensch, dem sich Ruth anvertraute.

Wie anderen Überlebenden sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt stellte der LWB Ruth Baumaterial für eine Hütte zur Verfügung sowie Barmittel, damit sie ein kleines Geschäft eröffnen konnte. Sie verkauft nun Maniokmehl, Tomaten und kleine Fische***, die sie in einem grünen Plastikeimer aufbewahrt. Wenn die Geschäfte nicht gut gehen, essen sie und die beiden jüngsten Kinder selbst etwas davon, zusätzlich zur Essensration, die alle Flüchtlinge im Lager erhalten.

Ruth erhält zudem antiretrovirale Medikamente. Sie nimmt sie jeden Tag ein und geht einmal im Monat zur ärztlichen Untersuchung. Die grösste Hilfe ist jedoch die psychologische Unterstützung und die Beratung durch den LWB. „Ich fühlte mich wie der ärmste Mensch auf Erden“, sagt sie. „Jetzt weiss ich, dass ich mich an das LWB-Team wenden kann, wenn ich ein Problem habe, und dass das Problem am Ende des Tages nur noch halb so gross ist. Ihr habt mein Leben verändert – jetzt habe ich Hoffnung.“