Hauptaugenmerk auf den Beitrag der Frauen

Das Musiktheater „Elisabeth und Halldóra – Bach und Grallarinn" erzählt die Geschichte zweier Reformatorinnen, denen es gelungen ist, die Normen und Meinungen zur Rolle der Frau in Kirche und Gesellschaft in Frage zu stellen. Foto: LWB/Gylfi Jonsson

Reformationsgedenken in Island

REYKJAVIK, Island / GENF (LWI) – In der Evangelisch-Lutherischen Kirche Islands (ELKI) wurde zu Beginn der Gedenkfeierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Reformation das Hauptaugenmerk auf zwei Reformatorinnen gerichtet. Bei der ersten handelt es sich um Elisabeth Cruciger, eine Nonne, die ihr Kloster verließ, sich mit der Familie Luther anfreundete und einen lutherischen Theologen heiratete; bei der zweiten um Halldóra Guðbrandsdóttir, die Tochter eines Bischofs, die diesem, als er älter wurde, dabei half, seine Diözese zu verwalten.

ELKI ehrte bei dieser Gelegenheit auch Katharina von Bora, die Ehefrau von Martin Luther, denn der Beginn der Gedenkfeierlichkeiten wurde auf den 29. Januar, Boras Geburtstag, gelegt.

„Die Rolle der Frauen in der Reformation blieb sowohl hier in Island als auch anderswo in den vergangenen 500 Jahren im wesentlichen unbemerkt“, sagte Dr. Arnfríður Guðmundsdóttir, Theologieprofessorin an der Universität Island in Reykjavík. Sie meinte weiter: „Obgleich Frauen vom ordinierten Amt und von weiterführender Schulbildung ausgeschlossen waren, kann man mit Sicherheit sagen, dass Frauen aktiv an der der Reformationsbewegung mitgewirkt haben.“

Dichterin von Chorälen und Führungspersönlichkeit

Die ELKI begann ihre Aktivitäten zum Reformationsjubiläum mit dem von Guðný Einarsdóttir und Diljá Sigursveinsdóttir geschriebenen Musiktheater „Halldóra und Elisabeth, Bach und Grallarinn – Zwei Reformatorinnen“.

Elisabeth (1500-1535) stammte aus einer adligen Familie in Deutschland und verließ das Kloster, nachdem sie die Predigten von Johannes Bugenhagen, einem Mitarbeiter von Luther, gehört hatte, der in Deutschland und Skandinavien Gemeinden gegründet hatte. Sie ging nach Wittenberg, freundete sich mit Martin Luther und seiner Frau an und heiratete Caspar Cruciger, einen Wittenberger Theologieprofessor, der Luther dabei half, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen.

Elisabeth wurde eine der ersten Dichterinnen von Chorälen in der Reformationsbewegung. Der Überlieferung nach soll sie eines Nachts vom Predigen geträumt haben. Als sie ihrem Mann von diesem Traum erzählte, soll dieser gesagt haben, ihre Predigten würden in ihren Liedern zu finden sein. Ihr Kirchenlied „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ wurde in Luthers erstem Gesangbuch von 1524 veröffentlicht. Es hat in der Folge auch Johann Sebastian Bach zu seiner Kantate „Herr Christ, der einge Gottessohn“ inspiriert. Ihr Lied wurde in viele Sprachen übersetzt, unter anderem ins Isländische, und in eines der frühesten isländischen Gesangbücher übernommen.

Halldóra Guðbrandsdottir (1574-1658), die andere Frau, die geehrt wurde, war die Tochter des Bischofs von Hólar, einer der eifrigsten Befürworter der Reformation in Island. Halldóra war 11 Jahre alt, als ihre Mutter starb, und widmete darauf ihr ganzes Leben dem Vater, den sie versorgte und dessen großen Haushalt sie übernahm. Ihr Vater sorgte dafür, dass sie eine gute Schulbildung erhielt, obgleich Frauen damals noch keinen Zutritt zu öffentlichen Schulen hatten.

Der Bischof erwarb eine Druckerpresse und produzierte viele religiöse Texte, einschließlich einer Bibel auf Isländisch, die 1584 veröffentlicht wurde. Er gab unter anderem auch ein Gesangbuch namens „Grallarinn“ heraus, das sehr beliebt wurde und bis 1801 in Gebrauch war.

Halldóra blieb ihr Leben lang unverheiratet, war jedoch Pflegemutter für eine Reihe von Kindern. Sie galt als willensstark und beharrlich, und übernahm, als ihr Vater alterte, die Leitung der Diözese. Sie schützte sein Vermächtnis in der Diözese, unter anderem gegen den Versuch eines anderen Bischofs, sich der Druckerpresse zu bemächtigen, und leitete den Neubau der durch einen Sturm zerstörten Diözesankathedrale. Die 1627 geweihte neue Kirche trägt ihren Namen: Halldórukirkja –Halldóras Kirche.

Bei der Eröffnungsveranstaltung zum Reformationsgedenken sagte Dr. Guðmundsdóttir: „Indem wir das Hauptaugenmerk auf die Reformatorinnen richten, betonen wir, wie wichtig die Rolle der Frauen im Leben der Kirche war und auch heute noch ist.“

Die ELKI plant außerdem ein Theaterstück über Martin Luther sowie die Veröffentlichung einer zweibändigen Auswahl von Luthers Schriften auf Isländisch.