Gottes Mission verbindet

LWB-Generalsekretär Junge spricht zum Ausschuss für wechselseitige christliche Verantwortung. Foto: LWB/Albin Hillert

Ansprache des LWB-Generalsekretärs vor dem Ausschuss der ÄEKMY

Addis Abeba, Äthiopien/Genf (LWI) – Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge, hat am 6. Februar eine Ansprache vor dem in Addis Abeba tagenden Ausschuss für wechselseitige christliche Verantwortung (Committee of Mutual Christian Responsibility – CMCR) gehalten.

Der Ausschuss, dessen Tagung 2019 unter dem Motto „Mission wandelt Partnerschaft“ stand, setzt sich aus äthiopischen Kirchenleitenden der nationalen und synodalen Ebene sowie Mitgliedern von in Äthiopien aktiven Kirchen und Missionswerken zusammen. Sein Ziel ist es, Mission, Gemeinschaft und Einheit zu fördern.

Ausgerichtet werden die Ausschusstagungen von der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus (ÄEKMY). Die Kirche gehört dem LWB seit 1963 an und engagiert sich entschlossen im Sinne eines ganzheitlichen Missionsansatzes, der die Evangeliumsverkündigung konsequent mit dem Dienst an den Nächsten verbindet.

„Dass wir uns hier versammelt haben, ist Ausdruck dafür, dass wir uns gegenseitig stärken und fördern wollen – die Garantie für gegenseitige Verantwortung und Rechenschaft. Das Christentum wird zunehmend globaler […] und so müssen wir uns vor allem anderen bewusst machen, dass wir einander mehr denn je brauchen“, betonte ÄEKMY-Präsident Pfr. Yonas Yigezu Dibisa in seiner Eröffnungsansprache.

Kirche hat Anteil an Gottes Mission

Die jährliche Tagung des Ausschusses fand in diesem Jahr zum 40. Mal statt. Sein Weg bis hierher war durchaus nicht immer leicht. Der Ausschuss wurde 1979 in Dänemark gegründet, zu einer Zeit, als Christinnen und Christen in Äthiopien verfolgt wurden und ausländisches Missionspersonal nicht ins Land einreisen durfte.

Junge verwies auf die engen Verknüpfungen zwischen der Geschichte der ÄEKMY und des LWB. Er dankte der ÄEKMY dafür, dass sie sich aktiv eingebracht habe auf dem Weg, den die Kirchengemeinschaft in mittlerweile über 70 Jahren gegangen sei.

„‚Hier stehe ich‘, hat Luther einmal gesagt. ‚Hier gehen wir‘, fügen wir heute hinzu und staunen angesichts der Kraft der Botschaft von der Rechtfertigung allein aus Gnade durch den Glauben“, fuhr Junge fort. „Die Ereignisse und Aktivitäten anlässlich des 500. Reformationsjubiläums liegen gerade erst hinter uns und wir können zuversichtlich sagen: Es ist nicht vorbei – die Reformation geht weiter.“

„[W]as wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt“ (1. Joh 1,3) lautete das Leitwort der Ausschusstagung.

Junge betonte: „Die Kirche hat von sich aus keine eigene Mission und die Kirche muss ihre Sendung auch nicht erst erfinden. Es ist umgekehrt: Die Kirche empfängt ihre Sendung von Gott, denn Gott ist ihre Mission.“ Das Zeugnis der ÄEKMY biete ein Vorbild dafür, dass „Mission nicht Aufgabe einiger weniger, Aufgabe nur von Geistlichen, Evangelistinnen und Sonntagsschullehrern ist, sondern verwirklicht wird vom ganzen Volk Gottes.“

„Ich bin überzeugt, dass wir vor einer gewaltigen Aufgabe für die lutherischen Kirchen weltweit stehen: nämlich, jene mächtige Idee der frühen Reformationszeit wiederzuentdecken und neu zum Ausdruck zu bringen, dass wir alle Teil der Mission Gottes sind – Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer“, führte Junge aus.

Grenzen der Kontextualität – Christus bleibt derselbe

Mission sei kontextbezogen, erklärte der Generalsekretär, aber sie müsse auch immer „schriftgemäß und christozentrisch“ sein: „Bei der Mission wird es immer um Jesus Christus gehen, gemäß der Offenbarung durch die Schrift.“

„Die Leidenschaft der ÄEKMY für die Heilige Schrift ist für uns im LWB ein großes Geschenk. Es beeindruckt mich immer wieder, wenn ich höre, wie viele Sprachen in Ihrer Kirche gesprochen werden und dass Ihre Kirche kontinuierlich daran arbeitet, den Zugang zur Bibel in den Volkssprachen zu verbessern“, betonte Junge.

„Vielfalt stellt kein Problem dar und sollte auch kein Hindernis für das Zusammenleben sein“, so Junge. „Ganz im Gegenteil, diese Vielfalt ist gottgegeben, denn Mission wird immer kontextbezogen sein. Diese unausweichliche Realität ergibt sich aus Gottes Inkarnation in Christus.“

Weiter führte er aus: „Der LWB verteidigt seit Jahrzehnten das Prinzip des kontextuellen Wesens der Kirche sowie das Recht und die Notwendigkeit, dass die Kirchen in ihrem jeweiligen Kontext durchbuchstabieren, was es praktisch bedeutet, an Gottes Mission mitzuwirken.“ Er unterstrich: „Das ist auch heute noch wichtig, da der LWB im Begriff ist, ein Selbstverständnis zu entwickeln, das von den vielen Zentren des weltweiten modernen Luthertums spricht.“

Gleichzeitig müsse die Aussage vom kontextbezogenen Wesen der Mission mit einer wichtigen Einschränkung einhergehen. „Der Kontext ist wichtig, aber er bestimmt nicht den Kern der Botschaft des Evangeliums. Würden wir uns beispielsweise Gewalt, Abgrenzung und eine destruktive Haltung zu eigen machen wollen, nur weil unser Kontext zunehmend von gewalttätigen, sich abgrenzenden und destruktiven Tendenzen geprägt ist?“, fragte Junge. „Was ist dann mit unserer Berufung, Frieden zu stiften? Würden wir womöglich gar geschlechtsspezifische Gewalt rechtfertigen wollen, ‚weil das eben unsere Kultur ist‘, oder würden wir nicht lieber in der neuen Kultur leben, wie sie uns das Evangelium ins Herz gibt, nach dem wir in Christus eine neue Kreatur sind, in der es keinen Unterschied mehr gibt zwischen Versklavten und Freien, Jüdinnen und Griechen, Männern und Frauen?“

Junge bekräftigte: „Geschlechtsbezogene Gewalt mag in mancher konkreten Kultur leider herrschen. Aber sie ist unvereinbar mit dem Evangelium Jesu Christi.“ Man brauche die Theologie, um nicht aus dem Blick zu verlieren, „was im jeweiligen konkreten Kontext der Wille Christi für die Kirche ist. Manchmal wird das heißen, sich der Kultur uneingeschränkt zu öffnen, manchmal wird es die Kirche dazu veranlassen, sich dem entgegenzustellen, was in der jeweiligen Kultur als ‚normal‘ gilt.“

Ganzheitliche Mission, verwirklicht vom ganzen Volk Gottes

„Ich möchte mit Ihnen heute über eine Sorge sprechen, die mich zunehmend umtreibt, wenn ich das Zeugnis der Kirchen weltweit betrachte“, erklärte Junge. Er habe den Eindruck, dass wir in einer Zeit leben, „in der wir uns scheinbar langsam entfernen von jenem ganzheitlichen Missionsverständnis und ausschließlich die spirituelle Dimension betonen…“

Junge verwies auf seinen Besuch beim „Symbole der Hoffnung“-Programm und das Engagement der ÄEKMY für zurückkehrende Migrantinnen. „‚Gebt ihr ihnen zu essen‘ beauftragte unser Herr Jesus die Jünger, die meinten, alles was von ihnen erwartet werde, sei, dem Herrn zuzuhören, mit ihm zu beten und seine Lehre anzunehmen“, unterstrich er. „Es hat mich berührt zu erleben, wie Sie mit den Rückkehrerinnen arbeiten, die viel Leid erlebt haben, weil sie leeren Versprechungen von einem besseren Leben ins Ausland gefolgt sind.“ Er sei zutiefst überzeugt, dass der der diakonische Dienst, den die ÄEKMY in der Arbeit mit diesen Frauen leiste, das Evangelium so verkünde, wie es „mit tausend Worten nicht so prägnant und klar zu vermitteln wäre“.

Abschließend betonte Junge: „Die Kirche hat Anteil an Gottes Mission, das ist ihre vorrangige Bestimmung. Die Mission lässt sich leiten von der Schrift und ist auf Christus zentriert. Mission ist immer kontextbezogen, aber das heißt nicht, dass die Kirche deswegen vollständig in ihrem Kontext aufgeht. Mission ist ganzheitlich, sie umfasst Verkündigung, Diakonie und Advocacy. Mission schließt das ganze Volk Gottes ein.“