Glaubensgeleitete Perspektiven auf den Schutz von Vertriebenen

Das Gemeindezentrum des LWB in Zarqa bietet durch eine Vielzahl von Aktivitäten psychosoziale Unterstützung und stärkt den sozialen Zusammenhalt zwischen syrischen, irakischen und anderen Flüchtlingen in Jordanien und ihren Gastgemeinden. Foto: LWB/Albin Hillert

Erkenntnisse über die wegweisende Rolle und die Beiträge aus dem Glauben handelnder Organisationen

GENF, Schweiz (LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB) setzt sich gemeinsam mit anderen aus dem Glauben handelnden humanitären Organisationen sowie Entwicklungs- und Advocacy-Organisationen für eine umfassendere Anerkennung der wegweisenden Rolle ein, die diese religiös geprägten Organisationen bei der Aufnahme und dem Schutz von Vertriebenen spielen. Religiöse und glaubensgestützte Gruppen haben gemeinsame Grundsätze, die das menschliche Leben und Wohlergehen wertschätzen. Diese gemeinsamen Grundpfeiler eröffnen Möglichkeiten für die interreligiöse Zusammenarbeit dieser Organisationen auf allen Ebenen der Gesellschaft.

„Für den LWB ist der Schutz vertriebener Menschen auf der einen Seite tief in unserem Glauben und in der lutherischen Identität verankert und beruht auf der anderen Seite auf den Menschenrechten. Diese Überzeugung bestimmt unseren Handlungsansatz. Wenn Millionen von Menschen aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels, gewalttätiger Konflikte und von Kriegen und anderen schwierigen Situationen vertrieben werden, ist es wichtiger als jemals zuvor, Fremde willkommen zu heißen und zu schützen“, so Isaiah Toroitich, Leiter für globale Advocacy-Arbeit. 

Cecilia Jimenez-Damary, UN-Sonderberichterstatterin für Binnenvertriebene, hielt auf einer vom LWB, UN-Partnern und glaubensgestützten Organisationen während des Global Protection Forums 2021 veranstalteten Tagung eine Rede. Sie wies darauf hin, dass das Konzept der Aufnahme von Fremden „mit dem Glauben übereinstimmt, dass es nur eine Menschheit gibt, unabhängig von Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe oder anderer diskriminierender Zuordnungen.“ Sie fügte hinzu, dass „wir in dieser grundlegenden internationalen Norm der Nichtdiskriminierung eine Gemeinsamkeit in der Aufgabe aus dem Glauben handelnder Organisationen im humanitären Einsatz finden.“

Der LWB und seine Partner haben festgestellt, dass das Angebot unterschiedlicher Formen psychosozialer Unterstützung, darunter die praktische und emotionale Hilfestellung für Menschen, die von Krisen und Vertreibung betroffen sind, förderlich für die mentale Gesundheit, das Wohlergehen und die Integration dieser Menschen in eine neue Umgebung ist. Daraus kann ebenfalls ein Gefühl der Zugehörigkeit und Solidarität mit den Aufnahmegemeinschaften entstehen.

„Da Binnenvertriebene, Flüchtende und Asylsuchende nicht nur materielle, sondern auch spirituelle und psychosoziale Unterstützung brauchen, setzen sich der LWB und seine Partner für die Durchführung von Programmen ein, die beide Aspekte beinhalten. Wir bekräftigen ebenfalls, dass die Glaubensstärke, die Vertriebene als einzelne Personen, aber auch innerhalb ihrer Gemeinschaften haben, sie in die Lage versetzt, die durch die Vertreibung entstandene schwierige Situation zu bewältigen“, berichtete Sivin Kit, LWB-Programmreferent für öffentliche Theologie und interreligiöse Beziehungen.

„Während weiterhin die Aufgabe besteht, lebensrettende Einsätze humanitärer Hilfsorganisationen durchzuführen, ist gleichzeitig auch ein umfassender und ganzheitlicher Handlungsansatz erforderlich, um die Würde der betroffenen Bevölkerungen wiederherzustellen“, stellte Pater Archimandrite Emanuel Youkhana fest, Gründer und Exekutivdirektor des irakischen christlichen Hilfsprogramms Nohadra/CAPNI, eines LWB-Partners im Irak. „Binnenvertriebene verlieren nicht nur ihr Hab und Gut, ihre Existenzgrundlage und alle ihre sozialen Aktivitäten – Konflikte und Krisen betreffen direkt ihre Menschlichkeit auf individueller und kollektiver Ebene.“

Maßnahmen vertrauenswürdiger Organisationen als spirituelle und materielle Hilfe für lokale Gemeinschaften

Einige Protagonisten des humanitären Sektors haben vielleicht Bedenken, dass die Zusammenarbeit mit glaubensgeleiteten Organisationen ihren Status als neutrale und unparteiische internationale Hilfswerke beeinträchtigt. Aliow Mohamed, der somalische Länderdirektor von Islamic Relief Worldwide, legt jedoch Wert darauf, dass besonders in Somalia die meisten internationalen Nonprofit-Organisationen „mit den örtlichen Helferinnen und Helfern in den ländlichen Dorfgemeinschaften zusammenarbeiten. Dies ermöglicht auf den Kontext abgestimmte Maßnahmen, die von den lokalen Gemeinschaften respektiert werden und denen sie vertrauen.“ Darüber hinaus vertrauen die Menschen den aus dem Glauben handelnden Organisationen auch, weil diese bereits vor Ort im Einsatz sind.

Raphael Marcus, Senior Vice President der Programme für die Hebräische Hilfsgesellschaft für Immigranten (HIAS), wies darauf hin, dass die glaubensgeleiteten Organisationen ihre wegweisenden Strategien bei der Unterstützung von Binnenvertriebenen unter Beweis gestellt hätten, als sie ihnen bei der Bewältigung schwieriger Situationen, dem Aufbau von Fähigkeiten zum Überstehen von  Krisen und der Wahrung ihrer Menschenwürde beigestanden hätten.  „Glaube kann ein Werkzeug sein, um Menschen zu erreichen. Er kann für Rechenschaftspflicht und für die richtige Herangehensweise bei Bedarfseinschätzungen sorgen. Während der gesamten Pandemie haben aus dem Glauben handelnde Organisationen an der Seite derjenigen gestanden, die von COVID-19 getroffen wurden, haben sie unterstützt und begleitet.“ Er fügte hinzu, dass diese Organisationen überzeugende Advocacy-Arbeit leisteten und sie genauso divers aufgestellt seien wie Organisationen ohne konfessionellen Hintergrund.

Der Lutherische Weltbund (LWB), Islamic Relief Worldwide (LWF) und HIAS haben sich zur Durchführung einer Konferenz auf lokaler Ebene tätiger religiöser Führungspersonen verpflichtet, um Flüchtlinge weltweit willkommen zu heißen. „Den Fremden willkommen heißen – die Zukunft gestalten“ wird gemeinsam von diesen drei Hilfswerken in Genf am Weltflüchtlingstag am 20. und 21. Juni 2022 durchgeführt.

Durch die Förderung eines umfassenderen Dialogs und den Aufbau von Kontakten zwischen den Agierenden auf der lokalen Ebene und global agierenden Organisationen will die Konferenz das Verständnis für die weltweite Arbeit örtlicher, aus dem Glauben handelnder Organisationen verbessern, die den Globalen Pakt für Flüchtlinge umsetzen, auch durch wesentliche Schutzmaßnahmen und Friedensarbeit. Die Konferenz geht ebenfalls der Frage nach, wie für die lokalen Akteure bessere unterstützende Strukturen zur Durchführung dieser Arbeit bereitgestellt werden könnten, und wie gemeinsames Lernen und beste Praktiken vermittelt werden können, um sie im größeren Maßstab zu replizieren.

Von LWB/T. Rakoto. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken, Redaktion: LWB/A. Weyermüller