Geist der Ökumene in Japan

Prof. H. Augustine Suzuki (zweiter von links) in der Marienkathedrale in Tokio, wo anglikanische, katholische und lutherische Glaubensgemeinschaften ihren ersten gemeinsamen Gottesdienst gefeiert haben. Foto: JELC

Gespräch mit dem lutherischen Theologen Prof. Augustine Suzuki

(LWI) –Mehr als drei Jahrzehnte Dialog mit der katholischen Kirche haben einen wichtigen Beitrag für ein ökumenisches Miteinander geleistet, stellt der lutherische Theologe Prof. H. Augustine Suzuki fest. „Es besteht kein Zweifel daran“, dass die beiden Dialogpartner „definitiv“ gemeinsam das 500. Reformationsjubiläum 2017 begehen werden, „und wir hoffen auf die Beteiligung weiterer Kirchen“, so der Theologe in einem Gespräch mit der Lutherischen Welt-Information (LWI).

Wie würden Sie das Verhältnis zwischen katholischen und lutherischen Gläubigen in Japan bezeichnen, besonders wenn man gemeinsame Aktivitäten berücksichtigt?

Es gibt einen Ausschuss für den Dialog zwischen den beiden Kirchen – den Ökumeneausschuss der katholischen und lutherischen Gläubigen. Dieser Ausschuss kommt zweimal im Jahr zusammen, dieses Jahr hatten wir das 71. Treffen. Das bedeutet, dass die beiden Kirchen seit 35 Jahren einen kontinuierlichen Dialog führen. Das wichtigste Thema dieser Sitzung war die Frage, wie wir das 500. Reformationsjubiläum begehen sollen. Es gibt einen Konsens, dass die beiden Kirchen eine gemeinsame Gedenkveranstaltung um den 31. Oktober 2017 durchführen sollten.

Am 30. November 2014 haben die beiden Kirchen gemeinsam mit der Anglikanischen Episkopalkirche Japans einen gemeinsamen Sonntagsgottesdienst gefeiert, um den 50. Jahrestag des Dekrets über den Ökumenismus des Zweiten Vatikanischen Konzils zu begehen. Es war der erste Gottesdienst in der Geschichte dieser drei Kirchen. Das Liturgiebuch für den Gottesdienst anlässlich dieses Ereignisses wurde von einer Gruppe Theologen und Liturgen der drei Kirchen zusammengestellt.

Vor etwa zehn Jahren, am 31. Oktober 2004, haben katholische und lutherische Gläubige einen gemeinsamen Gottesdienst in der Marienkapelle der Kirche des Heiligen Ignatius in Yotsuya, Tokio veranstaltet, um die Vollendung der japanischen Fassung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre zu feiern. Es war der erste gemeinsame Gottesdienst zwischen den beiden Kirchen in der Geschichte. Die Übersetzung der Erklärung, die von einem Team aus Übersetzern und Übersetzerinnen der beiden Kirchen besorgt wurde, nahm bis zur Fertigstellung fast fünf Jahre in Anspruch. Dies war in erster Linie auf sprachliche Probleme zurückzuführen, da die beiden Kirchen unterschiedliche Worte für wichtige wissenschaftliche Bezeichnungen verwenden – die Lutheraner und andere Protestanten nennen den Erlöser Ies Kirist, die Katholiken Iezus Kirist. Es gibt zahlreiche weitere Unterschiede, darunter Eigennamen, Ortsbezeichnungen und besonders theologische Begriffe. Korrekturen und erneute Korrekturen wechselten sich ab, bis schliesslich ein Konsens erreicht wurde.

Vor kurzem haben Sie eine japanische Version der Publikation Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017 erstellt. Wie sah hier der Übersetzungsprozess aus?

Ich wurde als Mitglied der lutherisch/römisch-katholischen Kommission für die Einheit gebeten, eine erste Rohübersetzung zu liefern. Damit habe ich im Sommer 2013 angefangen. Diesen Entwurf habe ich dem Ökumeneausschuss vorgelegt, der dann aus seinen Mitgliedern ein Übersetzerteam zusammengestellt hat, jeweils zwei von der lutherischen und der katholischen Seite. Die Aufgabe des Teams bestand darin, meinen Entwurf weiter auszuarbeiten und schliesslich eine Endfassung zur Freigabe vorzulegen. Das Team nahm seine Tätigkeit Mitte Sommer 2014 auf und stellte den endgültigen Entwurf bis zum Ende des Jahres fertig. Die japanische Fassung des Berichts Vom Konflikt zur Gemeinschaft wurde Mitte Februar 2015 veröffentlicht. Die Teammitglieder sind Prof. Dr. Naozumi Eto und Prof. Dr. Motoo Ishii von der lutherischen Seite und Prof. Dr. Ichiro Mitsunobu und Dr. Junichi Iwamoto von der katholischen Seite.

Enthält die japanische Fassung zusätzlichen Text?

Ja, am Anfang des Buches gibt es zwei „Empfehlungen“ – eine von Erzbischof Peter Takeo Okada aus dem Erzbistum Tokio, der ebenfalls Vorsitzender der Bischofskonferenz der römisch-katholischen Kirche in Japan ist, und von Pfr. Tadahiro Tateyama, dem Präsidenten der evangelisch-lutherischen Kirche in Japan (JELC). Die Mitwirkung dieser Persönlichkeiten wertet diese Publikation zusätzlich auf und zeigt, dass der Inhalt von den kompetenten Gremien beider Kirchen autorisiert worden ist.

Es gibt zwei Vorworte in der japanischen Fassung, eines von LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge und eins von Kurt Kardinal Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Wie soll der Vertrieb der Publikation Vom Konflikt zur Gemeinschaft erfolgen?

Das Verlagshaus hat zunächst 1.000 Exemplare gedruckt, von denen die katholische Kirche 300 Stück gekauft hat, unsere Kirche 200. Diese werden wir an unsere Ortskirchen verteilen. Die verbleibenden 500 Exemplare gehen an christliche Buchhandlungen überall in Japan.

1.000 Exemplare mögen auf den ersten Blick wenig erscheinen, aber das ist nicht der Fall. Der christliche Bevölkerungsanteil in Japan liegt bei weit unter einem Prozent der Gesamtbevölkerung von fast 127 Millionen Menschen. 50 Prozent der Anhänger des christlichen Glaubens sind katholisch. Die Zahl der Mitglieder unserer Kirche dürfte somit landesweit zwischen 3.000 und 4.000 liegen, verteilt auf 125 örtliche Gemeinden. Im Durchschnitt besuchen 30 Menschen die Sonntagsgottesdienste. Angesichts des anstehenden 500. Reformationsjubiläums wird die Nachfrage nach dem Buch steigen, so dass eine zweite Auflage wohl unumgänglich ist.

Werden Sie das 500. Reformationsjubiläum gemeinsam mit den Katholiken begehen?

Ja, das wird ganz sicher der Fall sein, da gibt es keinen Zweifel. Eines der Probleme aus den Erfahrungen des gemeinsamen Gottesdienstes der drei Kirchen im vergangenen Jahr stellt sich in der Frage: „Soll das Gedenken auf Lutheraner und Katholiken beschränkt werden? Sollten wir noch weitere Religionsgemeinschaften in irgendeiner Weise an dieser Veranstaltung beteiligen?“ Dem Geist der Ökumene würde es sicher entsprechen, auf die Beteiligung weiterer Kirchen zu hoffen. Der Ökumeneausschuss wird diese Themen auf den kommenden Sitzungen erörtern.

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Christen in diesem Land eine Minderheit innerhalb einer Minderheit sind. Aber fast alle Menschen in Japan kennen den Namen Martin Luther und die Geschichte der Reformation aus Schulbüchern, für deren Inhalte das Bildungsministerium der Zentralregierung zuständig ist. Die Geschichte des Christentums zum Zeitpunkt der Reformation endet aber meistens hier, und deshalb glaubt die Mehrheit der japanischen Bevölkerung nach wie vor, dass Katholiken und Protestanten und besonders Lutheraner [immer noch] verfeindet sind.

In einem solchen Kontext hätte ein gemeinsamer Gottesdienst für die nichtchristliche Bevölkerung in Japan eine starke Signalwirkung. Überregionale Zeitungen, die sich im Normalfall nicht mit dem Christentum in Japan befassen, werden wahrscheinlich über diese Veranstaltung berichten. Wir auf der lutherischen Seite hoffen, dass dieser gemeinsame Gottesdienst ein möglichst „grosses Event“ wird angesichts seiner potenziellen sozialen Auswirkungen.

JELC-Mitglied Pro. H. Augustine Suzuki lehrt in Tokio am theologischen Seminar der lutherischen Kirche in Japan. Er ist Mitglied lutherisch/römisch-katholischen Kommission für die Einheit, die den bilateralen Dialog zwischen dem LWB und dem Vatikan leitet. Die Kommission hat im Juni 2013 „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ veröffentlicht und damit die erste gemeinsam von beiden Dialogpartnern verfasste Publikation über die Geschichte der Reformation vorgelegt.