Frauen im ordinierten Amt spiegeln Gottes Aufruf wider

Theologinnen der Nordostasiatischen Lutherischen Gemeinschaft zusammen mit der LWB-Referentin für Frauen in Kirche und Gesellschaft. Foto: LWB

Interview mit LWB-Generalsekretär anlässlich des Internationalen Frauentags

(LWI) – Am 8. März fand der Internationale Frauentag statt. Das Motto in diesem Jahr war „Equality for Women is Progress for All“ (Gleichberechtigung für Frauen bedeutet Fortschritt für alle). Laut den Vereinten Nationen ist der Internationale Frauentag eine Gelegenheit, über die bereits gemachten Fortschritte nachzudenken und Veränderungen zu fordern. Die Lutherische Welt-Information (LWI) sprach mit Generalsekretär Pfr. Martin Junge darüber, wie der Lutherische Weltbund (LWB) sich aktiv für dieses Thema engagiert.

Was bedeutet das Motto des Internationalen Frauentages, „Gleichberechtigung für Frauen bedeutet Fortschritt für alle“, für Sie als Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes?

Das Motto erfasst sehr treffend, dass die sogenannten „Frauenthemen“ nicht Themen sind, die sich nur auf Frauen auswirken, sondern dass sie die gesamte Gesellschaft betreffen, in der die Frauen leben, oder, im Fall der Kirche, die gesamte Kirche. Die Gleichberechtigung der Frauen sagt etwas über die Qualität von Beziehungen aus und über die Werte, die diesen Beziehungen zugrunde liegen. Es ist deshalb kein symbolischer Akt, oder eine altruistische Geste jenen gegenüber, die als schwach angesehen werden, wenn sich Kirchen in Prozessen engagieren, die die Gleichstellung der Frau fördern. Solche Prozesse sind vielmehr eine gemeinsame Anstrengung von Männern und Frauen, die Kirche zu einem besseren Ort zu machen und dadurch ein kraftvolles Zeichen zu setzen für unsere Versöhnung und Einheit in Christus durch die Taufe über die Grenzen von Ethnizität, sozialem Status und Gender hinweg.

Wie hat der LWB die Gleichstellung der Frau gefördert und wie sieht er sein zukünftiges Engagement, um dies weiter zu tun?

Der LWB hat seinem Engagement für die Gleichstellung in mehreren Grundsatzentscheidungen und programmatischen Aktivitäten konkret Ausdruck verliehen. Der LWB unterstützt seit Langem Projekte der Mitgliedskirchen, die die Gleichstellung der Frau in Kirche und Gesellschaft fördern wollen. 1984 hat der LWB in seiner Vollversammlung den Grundsatz beschlossen, dass Frauen und Männer mindestens zu je 40 Prozent in den verschiedenen Gremien und damit auch in der Leitung vertreten sein sollen.

Dasselbe Prinzip wird angewendet, wenn es um Aktivitäten des LWB und LWB-Programme geht. Das schliesst auch Stipendien mit ein, sowohl für theologische Studien als auch für Studien, in denen es um Entwicklung geht. Seit 1984 hat der LWB das Ziel anerkannt und immer wieder bekräftigt, auch Frauen im ordinierten Amt zu sehen. Jede LWB-Vollversammlung, die in den drei Jahrzehnten seit damals stattfand, hat dies widergespiegelt. Die LWB-Kampagne „Kirchen sagen ‚NEIN‘ zur Gewalt gegen Frauen“, die im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts umgesetzt wurde, hatte enorme Auswirkungen. Unser Engagement in der humanitären Hilfe und der Entwicklungsarbeit (Abteilung für Weltdienst) beinhaltet Gendergerechtigkeit immer als ein themenübergreifendes Ziel. Auch die LWB-Strategie „Mit Leidenschaft für die Kirche und für die Welt“ schliesst Gendergerechtigkeit als themenübergreifende Priorität mit ein. 2011 wurde das Büro der Kirchengemeinschaft für gendergerechte Bezahlung zertifiziert. Letztes Jahr hat der LWB-Rat 2013 ein Grundsatzpapier zu Gendergerechtigkeit verabschiedet und damit eine Entscheidung der Vollversammlung 2010 umgesetzt.

Hinter uns liegt ein fester und beständiger Weg, dennoch gibt es noch viel, was wir in Zukunft erreichen wollen.

2013 veröffentlichte der LWB ein Grundsatzpapier zu Gendergerechtigkeit. Welche positive Veränderung erhofft sich der LWB von diesem neuen Grundsatzpapier?

Auf unserem Weg haben wir erkannt, dass die Beteiligung von Frauen durch Quotenregelungen nicht automatisch bedeutet, dass Frauen unter gleichen Bedingungen teilhaben.

Das war der Hintergrund der Forderung nach einem Grundsatz für Gendergerechtigkeit von der Vollversammlung in Stuttgart.

Das „Grundsatzpapier zur Gendergerechtigkeit im LWB“ ist dafür gedacht, die Gemeinschaft auf ihrem Weg zur Inklusion zu unterstützen und zu fördern. Es gründet auf unserem biblischen und theologischen Verständnis und nimmt Bezug auf die lutherisch-theologische Identität, und bietet Orientierung und Methodik für an den jeweiligen Kontext angepasste Aktionspläne auf regionaler und lokaler Ebene der Gemeinschaft.

Der LWB wird diese Diskussionen weiterführen. Die positive Veränderung, die wir erwarten, ist, dass die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern in Beziehungen als Frage des Glaubens wahrgenommen wird und dadurch gerechtere Beziehungen zustande kommen.

77 Prozent der LWB-Mitgliedskirchen ordinieren Frauen. Warum ist die Frage der Ordination für den LWB wichtig?

Die Statistik auf die Sie sich beziehen stammt aus dem Jahr 2012. Mittlerweile haben mehr Mitgliedskirchen ihre Bereitschaft kommuniziert, Frauen zu ordinieren, oder sie haben bereits damit angefangen.

Als Lutheraner und Lutheranerinnen glauben wir, dass Gott uns durch die Taufe zum Teil einer neuen Gemeinschaft gemacht hat und das gesamte Volk Gottes – Männer und Frauen – dazu aufgerufen hat, an Gottes Mission teilzuhaben. Aus diesem Verständnis heraus definieren wir das Amt in der Kirche, das allen offen steht und diese neue Gemeinschaft in Christus widerspiegelt.

Aus diesem Grund sprechen wir im LWB nicht von der „Ordination von Frauen“, sondern von „Frauen im ordinierten Amt der Kirche“ – eine Formulierung, die unsere Überzeugung ausdrückt, wie wichtig der inklusive Charakter des Amtes ist.

Mit anderen Worten, die Bedeutung dieses Themas ergibt sich aus der Tatsache, dass die Teilhabe von Frauen im ordinierten Amt letztendlich unser Verständnis des kirchlichen Amts selbst betrifft. Und dass es darum geht, wie dieses Amt Gottes Aufruf an das ganze Volk Gottes widerspiegelt, durch die Taufe Zeuginnen und Zeugen für Gottes neue Schöpfung und dadurch für eine neue Gemeinschaft zu werden. (Galater 3).

Der LWB ist eine Gemeinschaft, die Mitgliedskirchen in vielen verschiedenen Kulturen hat. Ist die Frage, ob Frauen das ordinierte Amt in der Kirche übernehmen dürfen, eine Frage kultureller Unterschiede?

Der LWB ist dem Verständnis verpflichtet, das ordinierte Amt als inklusiv für sowohl Männer als auch Frauen zu sehen. Dieses Ziel ist seit 1984 von den Vollversammlungen immer wieder bekräftigt und von 77 Prozent der Mitgliedskirchen umgesetzt worden, die 93 Prozent des Anteils am LWB nach der Mitgliederzahl ausmachen.

Während wir einander im Streben nach diesem Ziel begleiten, hören und wissen wir, dass manche Kirchen aufgrund von biblischer Hermeneutik oder kultureller und ökumenischer/interreligiöser Beziehungen langsamer vorgehen müssen.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen – wir müssen vorsichtig, aber auch kritisch kulturelle Realitäten betrachten, besonders angesichts der Tatsache, dass das Evangelium von Jesus Christus in so vielen Aspekten im Gegensatz zu kulturellen Gepflogenheiten steht. Zum Beispiel glaube ich nicht, dass es heute Teil vieler Kulturen ist, den Feind und die Feindin zu lieben, aber dennoch versuchen wir, dies in Worten und Taten kundzutun. Ich glaube nicht, dass es heutzutage Teil vieler Kulturen ist, den uns von Gott gegebenen freien Willen dazu einzusetzen, unseren Nächsten zu dienen, dennoch versuchen wir, dies in Worten und Taten kundzutun; und auch ist es heutzutage nicht Teil vieler Kulturen, dass man Geschenke ohne Gegenleistung bekommt, und trotzdem ist dies der Kern des Evangeliums von Jesus Christus, wie es nicht nur von den lutherischen Kirchen verkündigt wird.

Der Apostel Paulus ermutigt das Volk Gottes, sich des Evangeliums von Jesus Christus nicht zu schämen, sondern es in unseren jeweiligen Kulturen zu predigen und zu leben. Jede Kirche ist täglich dazu aufgerufen, zu überlegen, wie sie in ihrem speziellen Kontext, also in ihrer Kultur, Zeugnis ablegen kann. Gleichzeitig wird sie versuchen Gottes Mission treu zu sein, die in ihrem Kern so viele Widersprüche zu kulturellen Gegebenheiten in sich trägt.

Deshalb ist das Argument der Kulturen relativ.

Der LWB engagiert sich im ökumenischen Dialog mit Partnern, die im Hinblick auf Frauen im ordinierten Amt und der Teilhabe von Frauen unterschiedliche Standpunkte vertreten. Stellt dies im Dialog ein Problem dar?

Der LWB engagiert sich weiterhin in wertvollen und bedeutsamen ökumenischen Beziehungen und Dialog. Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre wurde 1999 unterzeichnet, also 15 Jahre nach der LWB-Vollversammlung 1984, bei der das Ziel von Frauen im ordinierten Amt anerkannt und bekräftigt wurde. Bereits seit mehreren Jahrzehnten wird der LWB in ökumenischen Dialogen auch von ordinierten Frauen vertreten, auch im Dialog mit Kirchen, die Frauen nicht ordinieren. Und diese Dialoge tragen weiter Früchte. Bei den Audienzen des LWB bei Papst Benedikt XVI und Papst Franziskus umfassten die LWB-Delegationen ebenfalls ordinierte Frauen , einige davon waren und sind Bischöfinnen. Wir nehmen an diesen Interaktionen als die Gemeinschaft teil, die wir sind, und ich bin dankbar, dass ich sagen kann, ich hatte nie das Gefühl, dass unsere Interaktionen aufgrund der Zusammensetzung der LWB-Delegation in irgendeiner Weise problematisch gewesen wären, oder das zwischen den Mitgliedern der Delegationen Unterschiede gemacht worden wären. Das verleiht den ökumenischen Dialogen und Beziehungen zusätzlichen Wert – die Tatsache, dass sie auf Ehrlichkeit und Transparenz darüber basieren, wer wir sind.

Wie sieht ihre Vision für die positiven Veränderungen für Frauen im LWB aus, die Sie am Internationalen Frauentag mit uns teilen wollen?

Ich hoffe und bete, dass die Gewalt gegen Frauen – die immer noch für viele Realität ist – aufhören wird.

Ich hoffe und bete, dass wir uns von der Beteiligung von Frauen durch Quotenregelungen entfernen, hin zu einer Teilhabe durch gleiche Bedingungen.

Und ich hoffe und bete, dass mehr Kirchen das Ziel umsetzten, Frauen im ordinierten Amt zuzulassen, während wir im offenen und respektvollen Austausch miteinander stehen, der dem Wort Gottes treu bleibt und die Getauften dazu einlädt, ein prophetisches Zeichen für Gottes machtvolle Versöhnung zu sein.