„Entwaffnung der Herzen und Hände“

LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge. Foto: LWB/Albin Hillert

LWB-Generalsekretär ruft zum Engagement gegen Hassrede auf

Madrid, Spanien/Genf (LWI) – Die Geschichte lehrt uns, dass spaltenden, ausgrenzenden und aggressiven Worten nur allzu schnell physische Gewalt gegen Menschen folgt. Daher müssen  Religionsgemeinschaften Position beziehen und gegen Hassrede vorgehen, bevor aus ihnen gewalttätige Konflikte entstehen.

Mit dieser Botschaft wandte sich der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge, an die Teilnehmenden des alljährlich von der Gemeinschaft Sant’Egidio ausgerichteten Treffens, vom 15. bis 17. September in der spanischen Hauptstadt Madrid. An der Begegnung unter dem Motto „Frieden ohne Grenzen: Religionen und Kulturen im Dialog“ nahmen mehrere hundert hochrangige Religionsvertreterinnen und -vertreter aus allen Weltregionen teil.

Junge erinnerte daran, dass der Holocaust nicht mit den Gaskammern begonnen habe, sondern „mit geschmacklosen Witzen, Provokationen und sozialer Ausgrenzung“. Wer in den Religionsgemeinschaften Führungsaufgaben wahrnehme, habe die Pflicht und Verantwortung, „bei Hassreden dazwischen zu gehen und andere Blickwinkel einzubringen, die Heilung bewirken können“, mahnte Junge.

Hassrede ist erstes Warnzeichen

Die Erfahrungen, die man in der Dekade gegen Gewalt an Frauen gesammelt habe, zeigten deutlich, dass von verbale Aggression, Nötigung, Isolierung und Drohungen Frühwarnsignale dafür seien, dass es zu körperlicher häuslicher Gewalt kommen könne, erklärte der LWB-Generalsekretär.

„Daher müssen wir, bevor wir zu Vergebung und Versöhnung ‚ja‘ sagen, zuerst kompromisslos ‚NEIN!‘ sagen zur Hassrede – und zu jeder Form von Anstiftung zum Hass gegenüber den Schwächsten unter uns“, forderte Junge. „Worte haben Gewicht“, betonte er, und rief die Teilnehmenden dazu auf, sich bewusst zu machen, dass im Rahmen einer „umfassenden Agenda der Abrüstung“ die „Entwaffnung der Herzen und Hände“ einhergehen müsse „mit der Stärkung der gesetzlichen Instrumente und des politischen Willens“.

Ökumenische und interreligiöse Ressourcen gemeinsam erschließen

Eine einzelne persön könne sich völlig machtlos fühlen, erklärte Junge. Man müsse sich aber bewusst machen, dass Gruppen und Gemeinschaften, wenn sie geschlossen agierten, über praktische und spirituelle Ressourcen verfügen, die Veränderung bewirken können: „Wir müssen aufeinander zugehen und unter den religiösen Traditionen zusammenarbeiten, um so inmitten wachsender Spannungen in unseren Gesellschaften Solidarität zu demonstrieren.“

Der Generalsekretär nannte zwei Beispiele von lutherischen Leitungsverantwortlichen, die sich, trotz begrenzter Mittel, gegen Gewalt engagieren und praktische Friedensinitiativen fördern. So habe sich in Lateinamerika die Evangelisch-Lutherische Kirche Kolumbiens (IELCO) gegen den Aufruf einiger Mitglieder der FARC-Guerilla (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, deutsch: Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) zur Wiederaufnahme des bewaffneten Konflikts gestellt und unterstütze weiterhin ehemalige Kämpfende, die sich wieder in das zivile Leben integrieren wollen.

Weiter erinnerte Junge daran, dass er und LWB-Präsident Erzbischof Dr. Panti Filibus Musa nach den am Ostersonntag 2019 in Sri Lanka verübten Anschlägen auf Kirchen und Hotels alle Religionsverantwortlichen aufgerufen hätten, sich öffentlich gegen Hassrede auszusprechen und sich weiterhin dafür einzusetzen, dass allen Menschen im Land der gleiche Schutz gewährt wird.

„Unser Glaube lehrt uns, dass Hass und Gewalt nie das letzte Wort haben“, schloss der Generalsekretär. Daher müssten die Religionsgemeinschaften im Kampf gegen Angst und soziale Ausgrenzung zusammenarbeiten und außerdem nicht zulassen, dass „Gewalt und Hass das erste Wort sind“.