Ein Wald entsteht

Birzegen Yiman auf dem Projektgelände in Lalibela, Äthiopien. Fotos: LWB/C. Kästner

LWB-Projekt für Existenzsicherung und Umwelt in Äthiopien

LALIBELA, Äthiopien/GENF (LWI) – Wenn Birzegen Yimam (30) über die Baustelle schaut, sieht sie den Staub nicht. Sie sieht die mehr als 300 Frauen und wenigen Männer, die schwere Steine schleppen, Terrassen bauen und mit ihren Schaufeln den dunklen äthiopischen Boden vorbereiten. Und wenn sie ihre Augen schließt, sieht sie einen grünen Wald vor sich.

„Wo ein Wald ist, da ist auch Leben“, sagt Birzegen Yimam. „Wir schaffen Leben für die Menschen. In zehn Jahren wird diese Region vollständig grün sein.“

 

Yimam ist als Aufseherin für ein Projekt in einem der Dorfbezirke (Äthiopisch: kebele) verantwortlich, das vom Äthiopien-Programm des Lutherischen Weltbunds (LWB) durchgeführt wird und für mehr Ernährungssicherheit sorgen soll. Sie misst die Länge der anzulegenden Terrassen und gibt den Arbeitskräften Anweisungen, wo sie die Felsen deponieren sollen. Das Projekt dient der Umweltverbesserung, hilft den Menschen bei der Anpassung an den Klimawandel und bietet kurzfristig Hilfe für diejenigen, deren Existenz durch die Dürren bedroht wird.

Vom Klimawandel betroffen

Lalibela im Norden Äthiopiens wurde aufgrund seiner Felsenkirchen von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Lalibela gehört aber auch zu den regenärmeren und am stärksten von Dürre bedrohten Regionen Äthiopiens. Wasser war hier immer knapp. Der Klimawandel und wiederkehrende Dürrekatastrophen haben es den örtlichen Landwirten in den vergangenen Jahren fast unmöglich gemacht, die regenabhängige Landwirtschaft weiter zu betreiben, die sie gewohnt sind. Ihrer Existenzgrundlage beraubt, zogen immer mehr Menschen in die umgebenden Städte oder wanderten aus.

 

Die Situation muss sich ändern, wenn auch die nächsten Generationen der Menschen hier überleben wollen. 2013 hat der LWB in unterschiedlichen Gemeinschaften der Region Amhara das erste Food Security Project – ein Projekt zu Ernährungssicherung – durchgeführt. Seit 2015 ist der LWB auch in den Bezirken Lasta und Lalibela aktiv.

Das Projekt hat einen Etat für drei Jahre und hilft etwa 4.670 Menschen – 2,7 Prozent – der Bevölkerung im Bezirk, in den Dörfern Nakutole’ab (Lalibela), Medaghe und Shumsheha (Lasta). Teil des Projekts sind unterschiedliche landwirtschaftliche Aufgabenstellungen in den Bereichen Bewässerung, Düngung und Produktion von Saatgut.

 

Bei allen diesen Projekten geht es um die Verwendung von landwirtschaftlichen Werkzeugen und Düngemitteln, die den Landwirten bereits zur Verfügung stehen, z.B. Hacken, Sicheln und Dünger aus der lokalen Tierhaltung. Ein Team von LWB-Fachleuten unterweist die Bevölkerung darin, wie sie die Erträge ihres Landes steigern und wie sie der Erschöpfung der Böden vorbeugen können.

Frauen leisten schwere körperliche Arbeit

Viele der Menschen unter Yimams Aufsicht nutzen das Programm „Cash for Work“ (Bares für Arbeit) auf den Ländereien der Gemeinde, um zusätzlich Geld zu verdienen, da sie kaum von den Erträgen ihres eigenen Landes leben können. Yimam selbst hat die Schule schon nach der 7. Klasse abgebrochen, „gerade, nachdem ich Lesen und Schreiben gelernt hatte“, sagt sie. In den vergangenen Jahren hat sie sich von einer ungelernten Arbeitskraft bis zur Projektleitung hochgearbeitet.

„Sie zeigte so viel Potenzial, Interesse und Fähigkeiten, dass der Naturschutzbeauftragte des LWB beschloss, sie auf eine Weiterbildung zu schicken. Dies ist ein unerwartetes Ergebnis des Projektes. Sie ist eine wirkliche Inspiration“, sagt Sophia Gebreyes, die LWB-Länderrepräsentantin für Äthiopien.

 

Frauen leisten den größten Teil der körperlichen Arbeit, die das Projekt erfordert. Sie schleppen schwere Steine und bereiten den Boden vor – für westliche Augen ein ungewohnter Anblick. „Es ist Erntezeit“, erklärt eine von ihnen. „Die Männer arbeiten auf unseren eigenen Feldern.“ Die Frauen bessern durch die Teilnahme am Cash for Work-Programm das Familieneinkommen auf.  Auf diese Wiese verdienen sie ihr eigenes Geld, und das verändert auch die Beziehungen zwischen Männern und Frauen in den Familien.

 

Erste Ergebnisse

In knapp drei Jahren haben die Menschen in Lalibela Kanäle gebaut, mit denen sie 61 Hektar Land bewässern können. Davon profitieren 120 Landwirte und ihre Familien. Auf 179 Hektar Gemeindeland wurden Terrassen angelegt, die das Land vor Erosion schützen, Wasser zurückhalten und mit Bäumen bepflanzt werden können.

 

Yimam ist auch Hausfrau und Mutter – wenn sie nach Hause kommt, kümmert sie sich um die Kinder, bereitet Mahlzeiten zu und regelt den Haushalt. Ihr jüngstes Kind trägt sie auf dem Rücken, und unter ihrem langen Umhang ist die Kleine gut vor der Sonne geschützt. Nur ihre zwei kleinen Füße sind links und rechts zu sehen. Das neun Monate alte Mädchen heißt Workinseh – „Gold“. Yimam hofft, dass sie eines Tages hier im Wald spielen wird.

Das LWB-Projekt zur Existenzsicherung in Lalibela wird von Canadian Lutheran World Relief (CLWR) und der Canadian Food Grains Bank (CFGB) unterstützt.