Ein neues Leben für Flüchtlingskinder

Mädchen versammlen sich im geschützten Schulhof im Dadaab-Flüchtlingskamp. Foto: LWB Kenia

Grundschulausbildung für alle Kinder in den Flüchtlingslagern von Dadaab eine große Herausforderung

Dadaab, Kenia/Genf (LWI) – Wenn sie die Staatsangehörigkeit des Landes hätte, in dem sie lebt, wäre Sowdo Mohamed Kilas (18) in einer der besten Schulen des Landes aufgenommen worden. Die Wirklichkeit ist leider anders. Mit ihren guten Noten konnte sie einen Platz in der Waberi Secondary School ergattern, einem Ziegelsteinbau mit überfüllten Klassen, in denen die Schülerinnen und Schüler in Vormittags- und Nachmittagsschichten unterrichtet werden. Ihre Einteilung in die Nachmittagsgruppe bedeutet, dass Sowdo ihr Lernprogramm bei höchstem Sonnenstand absolvieren muss und der Unterricht bei Temperaturen von 40°Celsius und mehr stattfindet.

Sowdo ist Flüchtling in Dadaab, Kenia, der weltweit größten Ansammlung von Flüchtlingscamps mit zurzeit mehr als 230.000 Menschen. Ihre Familie musste aufgrund gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Clans und ethnischen Gruppen und der Ermordung mehrerer Familienangehöriger in Somalia fliehen, als sie neun Jahre alt war. Sowdo ist das vierte von sechs Kindern und wurde zunächst für die erste Klasse der Upendo-Grundschule angemeldet, die von Lutherischen Weltbund (LWB) geleitet wird.

Überfüllte Klassen

Wer eine gute Schulbildung in Dadaab erhalten möchte, muss viel Eigeninitiative und Durchsetzungsvermögen aufbringen. In den Lagern gibt es ca. 120.000 Kinder im schulpflichtigen Alter. Die Upendo-Grundschule hat 3.200 Schüler und Schülerinnen – 62 pro Lehrkraft.  „Dieser Schlüssel ist nur ein Zeichen für die Defizite, die wir beim Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Bildung für alle Kinder haben", sagt Lennart Hernander, der LWB-Länderrepräsentant in Kenia

Zusätzlich wird Mädchen der Zugang zu Bildung oft durch kontraproduktive ethnische Sitten und Gebräuche erschwert. Der Unterricht in der Schule wird nur zu einem Drittel von Mädchen besucht, und wenn sie älter werden, brechen viele von ihnen die Schule ab. Ein weiteres Problem ist, dass Mädchen oft Opfer von Genitalverstümmelung oder Beschneidung und Zwangsheiraten werden. Sowohl Jungen als auch Mädchen werden später eingeschult, als dies eigentlich vorgesehen ist, da sie vorher noch auf eine religiöse Schule gehen (Madrassa/Dugsi).

Sowdo hat die Upendo-Grundschule acht Jahre lang besucht und 2015 mit der Abschlussprüfung das Kenya Certificate of Primary Education (KCPE) erhalten. Als eine von 300 (davon 87 Mädchen) erzielte sie 373 von 500 Punkten – das beste Ergebnis von allen Mädchen im Dadaab-Flüchtlingscamp in diesem Jahr.

Berufswunsch Ärztin

„Das ist ein Beweis für die Qualität des Unterrichts und der Schulen, aber noch mehr der Entschlossenheit der Flüchtlingskinder und ihrer Familien", sagt LWB-Länderrepräsentant Hernander. „Unter solchen Umständen seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und sich weiter für Bildung einzusetzen, obwohl viele Eltern ihre Kinder von der Schule nehmen, weil sie deren Unterstützung brauchen oder weil man ihnen ein Brautgeld bietet, ist ein Zeichen von Stärke und Belastbarkeit."

Sowdo lebt mit ihrer Mutter und ihren Brüdern und Schwestern in Hagadera, dem größten der vier Camps in Dadaab. Sowdos drei ältere Geschwister haben ebenfalls erfolgreich ihren KCPE-Abschluss gemacht. Ihre ältere Schwester und ihr Bruder sind in der Abschlussklasse der Sekundarschule, und ihre Schwester Aniso hat ihre Prüfungen gleichzeitig mit ihr abgelegt und geht jetzt ebenfalls zur Sekundarschule.

Allerdings hat keiner von ihnen so viele Punkte erzielt wie Sowdo.  „Ich will einmal Ärztin werden und hoffe, dass ich dieses Ziel erreichen kann", sagt sie. „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass Mädchen eine Schulbildung erhalten, und ich hoffe, dass ich etwas für den Frieden in unserem politisch instabilen Heimatland tun kann", sagt Sowdo.

„Im Idealfall ändert Bildung das Leben der Menschen im Flüchtlingslager Dadaab. Mädchen wie  Sowdo, die in den LWB-Schulen eine hervorragende Bildung erhalten, sind eine Investition, die langfristig einen Beitrag zum Wiederaufbau Somalias leisten wird", sagt LWB-Länderrepräsentant Hernander. 

Im Flüchtlingslager Dadaab ist der LWB zuständig für Grundschulausbildung, die Förderung der frühkindlichen Entwicklung und die Unterstützung von  Menschen mit Behinderungen sowie älteren Menschen. Zurzeit erkundet der LWB Möglichkeiten zur Unterstützung von Flüchtlingen, die nach Somalia zurückgekehrt sind.