Ein Evangelium ohne Grenzen verkünden

Bischof Frank Otfried July, Vorsitzender des DNK/LWB, predigt in der Basilica di San Bartolomeo während des Gedenkgottesdienstes für den polnischen lutherischen Bischof Juliusz Bursche. Foto: DNK/LWB, F. Hübner

Ökumenisches Gedenken an das Martyrium des polnischen Bischofs Bursche 

Rom, Italien/Genf (LWI) – Mit einem Gottesdienst wurde am 9. September der polnische lutherische Bischof Juliusz Bursche (1862-1942) als protestantischer Märtyrer in das ökumenische Gedenken aufgenommen. Bursche war 1939 von der Gestapo verhaftet und im KZ Sachsenhausen gefangen gehalten worden. Er starb 1942 an den Folgen seiner Haft.

An dem Gottesdienst in der katholischen Basilica di San Bartolomeo in Rom nahmen Familienangehörige des NS-Opfers, der Leitende Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Jerzy Samiec, und der Vorsitzende des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (DNK/LWB), Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July, teil. Während der Gedenkfeier wurde der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio ein Brief von Bursche übergeben, den er aus dem KZ Sachsenhausen geschrieben hatte. Dieses Erinnerungsstück steht beispielhaft für sein Wirken. Mit Bursche wird ein weiterer Protestant in das ökumenische Gedenken aufgenommen.

Die katholische Basilica di San Bartolomeo in Rom ist ein Ort, an dem bereits mehr als 120 Personen gedacht wird, die im 20. und 21. Jahrhundert als Zeugen des christlichen Glaubens ihr Leben ließen. Papst Johannes Paul II. hatte die Basilica di San Bartolomeo 2002 den neuen Märtyrern gewidmet. Dabei war ihm besonders der Aspekt der „Ökumene des Bluts“ wichtig: Nicht nur Katholiken, die wegen ihres Glaubens zu Tode gekommen waren, sollte hier gedacht werden, sondern auch Protestanten und Orthodoxen.

Zeugnis aus Gnade und Glaube

In seiner Predigt während des Gedenkgottesdienstes betonte July die Bedeutung von Glaubenszeuginnen und -zeugen auch für lutherische Gläubige. „Das Christentum – auch der lutherische Teil davon – ist auch eine Religion der Erinnerung.“ Die Reformation habe zwar Missstände der Heiligenverehrung entschieden kritisiert, aber nie das Wirken der Personen in Frage gestellt.

„Aus Gnade und Glaube geben Märtyrerinnen und Märtyrer durch ihren Tod Zeugnis und werden so vom Ende ihres Weges her gesehen. Wir erkennen im Rückblick an, dass es zu allen Zeiten, auch im 20. und 21. Jahrhundert, Gerechte gab und gibt, die aus dem Glauben nach Gottes Willen leben, Schmähungen und Bedrängnis bis in den Tod auf sich nehmen.“ San Bartolomeo sei eine Kirche, in der diese Zeugnisse erfahrbar werden und lebendig gehalten werden, so July.

Mit Blick auf den 80. Jahrestag des deutschen Angriffs auf Polen unterstrich der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg: „Gerade wir Christinnen und Christen aus Deutschland können das Märtyrergedenken nutzen, um uns unserer Schuld bewusst zu werden und diese vor Gott zu bringen. […] Wir müssen uns offen und aufrichtig zu dieser Schuldgeschichte bekennen und ebenso zur Verantwortung, die uns daraus zuwächst. Wir deutschen Lutheraner sind Gott und unseren polnischen Geschwistern daher dankbar für die Schritte der Versöhnung, für diese völkerverbindende Ökumene über frühere Grenzen hinweg. […] Gemeinsames Gedenken vertieft die Ökumene zwischen den Konfessionen genauso wie die Ökumene zwischen Ost und West.“

Geist der Versöhnung

Der Leitende Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Jerzy Samiec, unterstrich die ökumenische Verbundenheit über Nations- und Konfessionsgrenzen hinweg: „Wir können über Vergangenes im Geiste der Versöhnung und der Liebe sprechen. Wir können gemeinsam in dieser besonderen Basilika beten und von verschiedenen Erfahrungen erzählen. Jesus Christus eint uns alle.“ Bursche habe in Haft hilflos die Liquidierung der polnischen lutherischen Kirche mit ansehen müssen. „Er war gefangen und Nazi-Deutschland feierte seinen Sieg. Für den Bischof war dies die Katastrophe schlechthin.“ Doch nur Gott kenne den Ausgang der Geschichte. So sei die lutherische Kirche in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg wiedergeboren worden.

Dr. Cesare Zucconi, Generalsekretär der Gemeinschaft Sant’Egidio, dankte den Gästen für die lange Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Sant’Egidio und den lutherischen Kirchen in Deutschland, Polen und der Welt: „Wir freuen uns und fühlen uns geehrt, im Rahmen dieser ökumenischen Feier […] ein kostbares Andenken an den lutherischen Bischof aus Polen, Juliusz Bursche, entgegen zu nehmen.“ Bursche sei getötet worden, weil er ein „Evangelium ohne Grenzen verkündet hat und weil er die nationalistische Logik nicht akzeptieren wollte“. Dies sei eine bedeutende Botschaft auch in unserer Zeit mit wiedererstehenden Nationalismen, so Zucconi in seiner Begrüßung.

Juliusz Bursche stammte aus einer deutschen Familie, empfand sich selbst aber als Pole. Seit 1905 Oberhaupt der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen (EAKiP), wurde er im Oktober 1939 wegen „Verrats am deutschen Volkstum“ von der Gestapo verhaftet. Er strebte nach einer starken polnischen evangelischen Kirche, in der Polen und Deutsche eine Heimat fänden. Auf seine Initiative hin kam ein Dekret des polnischen Staatspräsidenten zustande, der das Verhältnis zwischen dem Staat und der EAKiP regelte. Dies ermöglichte der EAKiP nach dem Zweiten Weltkrieg den Wiederaufbau.