Durst nach Frieden

Beim Weltfriedenstreffen in Assisi unterstrich Martin Junge, Generalsekretär des LWB, die Notwendigkeit, Geiz und die vermeintliche Freiheit zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen zurückzustellen, um das Leben auf dem Planeten zu erhalten. Foto: Sant’Egidio

LWB-Generalsekretär Junge beim interreligiösem Friedenstreffen in Assisi

ASSISI, Italien/GENF, LWI – Gemeinsam mit führenden Persönlichkeiten aus verschiedenen Religionen hat der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrer Dr. h.c. Martin Junge, an einem interreligiösen Friedenstreffen in Assisi, Italien, teilgenommen. Unter dem Motto „Durst nach Frieden – Religionen und Kulturen im Dialog“ trafen 450 hochrangige Angehörige der christlichen, muslimischen, buddhistischen, jüdischen, hinduistischen und anderer Traditionen zu Austausch und Gebet zusammen.

Das Weltgebetstreffen für den Frieden fand erstmals 1986 auf Initiative von Papst Johannes Paul II. statt. Er wählte dafür den Geburtsort des für seine Toleranz bekannten heiligen Franziskus, nach dem sich auch der derzeitige Papst nennt.

Die von der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio ausgerichtete Konferenz fand vom 18. bis 20. September 2016 parallel zum Beginn der Sitzungsperiode der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York statt, die in diesen Tagen als ein Schwerpunktthema die Situation von Flüchtlingen behandelte. Die in Assisi Versammelten entzündeten am letzten Tag ihrer Konferenz im Rahmen einer Andacht eine Kerze für die 27 Länder weltweit, die aktuell von Krieg und Gewalt heimgesucht werden, darunter Syrien, der Irak, der Südsudan, Burundi, Mexiko, Nigeria, die Ukraine, Mindanao auf den Philippinen und der Jemen.

Am zweiten Tag der Konferenz war Papst Franziskus persönlich anwesend. Gemeinsam mit Bartholomeos I., dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, und Justin Welby, dem Erzbischof von Canterbury, stand er der Friedensandacht in der Franziskusbasilika vor. Er beklagte das neue „Heidentum der Gleichgültigkeit“, das die Augen vor dem Leid der Menschen verschließe, und rief die Kirchen auf, ihr Reden und ihre Praxis von Liebe bestimmen zu lassen.

Vertrauen und Freundschaft wachsen

„An der Entwicklung dieser Initiative wird erkennbar, wie interreligiöse Beziehungen wachsen und reifen“, stellte der LWB-Generalsekretär aus Anlass des Treffens in Assisi fest. „Diese Bemühungen laufen seit 30 Jahren: nach drei Jahrzehnten haben sich Vertrauen und Freundschaft entwickelt, Beziehungen sind gereift. Ist diese Phase einmal erreicht, sind vertiefte Gespräche und ein ehrlicher Austausch möglich.“

Der LWB blickt auf eine lange Geschichte des interreligiösen Dialogs und Engagements zurück. Nach der LWB-Vollversammlung 1984 wurde ein Referat geschaffen, das sich für die Einheit der Kirche und für Menschen anderer Glaubensrichtungen einsetzt. Die Abteilung für Theologie und interreligiöse Beziehungen führt seither kontinuierlich Dialogtagungen mit Vertretern der großen religiösen Traditionen durch und veranstaltete einen Studienprozess über indigene spirituelle Traditionen in unterschiedlichen Regionen.

In der Folge des Tsunamis in Indonesien (2004) waren lutherische Kirchen in Asien an der Entwicklung des Konzepts der „Diapraxis“ beteiligt – eine Grundlage für die von Nächstenliebe geprägte Nothilfe in Zusammenarbeit mit Menschen anderer Glaubensrichtungen.

Ein weiterer, aktueller Schwerpunkt der durch den LWB initiierten interreligiösen Gespräche ist die Frage des Zusammenlebens der Religionen im öffentlichen Raum. Angesichts von Diskriminierungen ist das gemeinsame Eintreten für einen gerechten gesetzlichen Rahmen, der gleiche Rechte für alle Menschen gewährleistet, heute ein wichtiges Anliegen der religionswissenschaftlichen Arbeit. Im Jahr 2014 unterzeichneten der LWB und dem muslimischen Hilfswerk „Islamic Relief Worldwide“ eine Vereinbarung, in der sie ihre Zusammenarbeit bei humanitären Hilfsmaßnahmen festschrieben. Gemeinsam führen beide Organisationen seither Projekte etwa in Nepal oder Jordanien durch.

Zukunft sichern, Schöpfung bewahren

Im Rahmen des dreitägigen Gebetstreffens nahm LWB-Generalsekretär Junge an einer Podiumsdiskussion teil, die die Rolle der Religionen als Bewahrerinnen der Schöpfung beleuchtete. Er rief zu einem behutsameren Umgang mit der Schöpfung auf. Dazu müsse Habgier überwunden und die vermeintliche Freiheit aufgegeben werden, natürliche Ressourcen nach Belieben auszubeuten.

„Die Zukunft des Lebens wird nicht mehr, wie es bisher üblich, durch das Besitzergreifen, sondern durch das Loslassen gewährleistet“, betonte Junge. „Ich bin fest davon überzeugt, dass der Glaube eine entscheidende Rolle dabei spielt, für die vor uns liegenden notwendigen Veränderungen zu werben und ihre Umsetzung zu unterstützen“, so der Generalsekretär weiter. „Denn der Glaube erkennt, dass im Hergeben neues Leben möglich wird.“