Durch Glaubensschwestern ermutigt

Beherzte Verbündete: (v. l.) Pfarrerin Sybil Chetty (Südafrika), Dr. Christy Ponni (Indien), Bischof a. D. Dr. Margot Käßmann (Deutschland), Dr. Ziyanda Mgugudo-Sello (Südafrika) und Moderatorin der Podiumsdiskussion Gabriele De Bona (ELM). Foto: LWB/A. Weyermüller

Frauen in Führungspositionen überwinden Grenzen von Geschlecht, Kultur und sozialem Status

Hannover, Deutschland/Genf (LWI) – Kirchen sollten mutiger sein und sowohl Frauen als auch Männer in Führungspositionen wählen, denn "wir, die Frauen, gehören dort dazu – als Schwestern, Frauen, Mütter". Dies war eines der Ergebnisse einer Podiumsdiskussion von Teilnehmerinnen der Sommerakademie zum Thema Gender, die vom 20. bis 25. August in Hermannsburg und Hannover, Deutschland, stattfand und vom Evangelisch-Lutherischen Missionswerk in Niedersachsen (ELM) organisiert wurde.

Zehn Frauen aus sieben Ländern (Brasilien, Zentralafrikanische Republik, Indien, Malawi, Peru, Russische Föderation, Südafrika), die als Theologinnen oder Laiinnen in ihren Kirchen Leitungsämter bekleiden, trafen sich zu dieser Veranstaltung.

Ausgehend von der Begegnung zwischen Jesus und der Samaritanerin in Johannes 4 lautete das Thema der Konferenz "Grenzen überwinden". Das Programm bot Raum für die Entdeckung von "Her stories" (ihre Geschichte), die die Leistungen von Frauen in Kirche und Gesellschaft sichtbar machen und für einen Austausch über Fragen wie: Welche persönlichen Erfahrungen machen wir als Frauen in unseren verschiedenen Kontexten? Haben wir gemeinsame Erfahrungen mit der Leitungsverantwortung? Sind wir Vorbilder für andere, insbesondere für andere Frauen? Was können wir in unseren Kirchen tun, um neue Perspektiven für alle zu entwickeln?

In einer öffentlichen Podiumsdiskussion tauschten vier Frauen ihre Erfahrungen aus und beantworteten Fragen aus dem Publikum. 

Dr. Christy Ponni ist Generalsekretärin der Frauenarbeit in der Tamilischen Evangelisch-Lutherischen Kirche http://telctrichy.in/index.html in Tamil Nadu, Indien. Dieses Amt bekleidet sie zusätzlich zu ihrer Position als Professorin der Abteilung für Zoologie am TBML College http://tbmlcollege.ac.in/. Sie ist die erste Frau, die diese Führungspositionen innehat, und betont die Bedeutung der Bildung als wichtigen Schritt für Frauen, um gleiche Rechte in der Gesellschaft und in der Kirche zu erlangen. Auch wenn ihre Kirche seit 2006 Frauen ordiniert, "ist es für Frauen im Vergleich zu anderen Fächern schwierig, Theologie zu studieren", sagt Ponni. Auch „haben Männer nach wie vor die meisten Entscheidungspositionen inne".

Pfarrerin Sybil Chetty von der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (ELCSA) ist seit 21 Jahren Pastorin. Als sie im Durban Circuit der Südostdiözese begann, war sie die erste Frau auf dieser Stelle, die sie von einem Missionspastor übernahm. "Ich wurde von den 15 Kollegen, die im Bezirk arbeiten, gut aufgenommen, aber ich hatte zahlreiche Herausforderungen in der Gemeinde", erinnert sich Chetty. Innerhalb Südafrikas gab es nach den ersten freien und demokratischen Wahlen 1994 viele Veränderungen, unter anderem, dass die Menschen ihren Wohnsitz frei wählen konnten.

Chetty hatte eine Gemeinde mit hauptsächlich englischsprachigen Menschen indischer Abstammung erwartet. Die hatte sich jedoch zwischenzeitlich stark verändert und hatte nun viele Gemeindemitglieder deren Sprache und Kultur Zulu war. "Es erwies sich als große Herausforderung, dort akzeptiert zu werden, denn ich war kein Mann und ich gehörte nicht zu den Zulu", erinnert sie sich. Auch " waren es oft die Frauen, die mehr Einwände gegen eine Pastorin hatten als die Männer", stellte sie fest.

Die Zusammenführung verschiedener Sprachen und Kulturen war auch eine Aufgabe für Dr. Ziyanda Mgugudo-Sello von der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (Kapkirche). Seit vier Jahren ist sie die ehrenamtliche Leiterin der Frauenarbeit ihrer Gemeinde.

Mgugudo und ihr Mann haben unterschiedliche Hintergründe – sie kommt aus der ehemaligen Transkei, er ist Tswana – und ihre gemeinsame Sprache ist Englisch. "Das bedeutete, dass wir auf Dauer nicht gemeinsam in eine Gemeinde gehen konnten, die ihre Gottesdienste in einer unserer jeweiligen Muttersprachen feierte", erinnert sich Mgugudo. "Also beschlossen wir, in die ehemals weiße Strand-Street-Gemeinde im Zentrum von Kapstadt zu gehen – dort wurde Gottesdienst auf Englisch gefeiert." Hier entdeckte die Ärztin Mgugudo auch ihre Berufung, "Frauen zu mobilisieren, um ihren Platz in der Gemeinde einzunehmen". Es ist ihr gelungen, ein Netzwerk von Frauen aufzubauen, die gut miteinander verbunden sind und sich gegenseitig unterstützen. "Wir können uns nicht immer von Angesicht zu Angesicht treffen", sagt sie. "Aber wir können trotzdem in Verbindung bleiben." Heute gibt es eine sehr aktive WhatsApp-Gruppe, die Frauen fasten einmal pro Woche und ermutigen einander mit geistlichen Impulsen.

Dr. Margot Käßmann war als Ehrengast zur Diskussion eingeladen worden. Im Jahr 1999 wurde sie als erste Frau zur Landesbischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hannovers und im Jahr 2009 zur ersten Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gewählt. Aus dem Ruhestand auf ihren Lebenslauf zurückschauend, benennt Käßmann mehrere Grenzen, mit denen sie konfrontiert war.

Aus nichtakademischem Hause kommend hatte sie zu Beginn ihres Universitätsstudiums mit sozialen Vorurteilen zu kämpfen. Außerdem hatte sie für ihre Berufswahl der Pfarrerin keine weiblichen Vorbilder. Viele als "theologisch" kategorisierten Gründe, die gegen Frauen ins Feld geführt wurden, hielten einer genauen Prüfung nicht stand, fand Käßmann. "Bis 1977 verloren ordinierte Frauen in Deutschland ihre Ordinationsrechte wenn sie heirateten. In Sambia war es genau umgekehrt: Frauen konnten nur ordiniert werden, wenn sie heiraten", erinnert sie sich an ihre internationalen Begegnungen mit Frauen.

Auf die Frage nach ihren Visionen, Wünschen und Träumen für ihre jeweiligen Kirchen in 20 Jahren antworteten alle Teilnehmerinnen mit Perspektiven, die sowohl Frauen als auch Männer einbeziehen. Sowohl Mgugudo als auch Käßmann möchten, dass ihre Kirchen Impulse von außen annehmen. Mgugudo strebt "die Welt in meiner Kirche" an, denn zahlreiche Touristen besuchen Kapstadt jedes Jahr. Käßmann ermutigt Migrantinnen und Migranten – darunter viele Christen –, die nach Deutschland kommen, sich in die etablierten Kirchen einzubringen statt eigene, separate Gemeinden zu gründen. Chetty und Ponni ermutigen ihre Kirchen, sowohl Frauen als auch Männer in Führungspositionen zu wählen.

Auf der Vorkonferenz der Frauen zur Ratstagung im Juni in Genf betonten die Vizepräsidentinnen des LWB, dass lutherische Frauen in Europa und Nordamerika zwar in ihren Kirchen die höchste Führungsebene erreicht haben, sich aber nach wie vor den Herausforderungen einer patriarchalen Denkweise stellen müssten.

Der LWB fördert Frauen im ordinierten Amt und in Führungspositionen. Die Gemeinschaft hat 1984 eine 40-prozentige Geschlechterquote eingeführt, die für alle ihre Ausschüsse und Organe gilt. Auf der Zwölften Vollversammlung des LWB wurde eine Resolution verabschiedet, die die Mitgliedskirchen auffordert, die im „Grundsatzpapier: Gendergerechtigkeit im LWB“ dargelegten Maßnahmen umzusetzen.

 

Das Evangelisch-Lutherische Missionswerk in Niedersachsen (ELM) https://www.elm-mission.net/startseite.html ist eine Einrichtung in Trägerschaft von drei deutschen Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB), nämlich der Evangelisch-Lutherischen Kirche Hannovers, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Braunschweig und der Evangelisch-Lutherischen Kirche Schaumburg-Lippe. Sie unterhält Kirchenpartnerschaften unter anderem mit den anderen in diesem Artikel genannten LWB-Mitgliedskirchen: der Tamilischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, der Evangelisch-Lutherische Kirche im Südlichen Afrika (Kapkirche) und der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika.