DRK: Staatliche Verantwortung im Kampf gegen sexualisierte Gewalt gefordert

Vertreterinnen und Vertreter des LWB gehörten einer Delegation an, die sich vor kurzem mit Überlebenden sexualisierter Gewalt in der Demokratischen Republik Kongo getroffen hat. Foto: Mukwege Foundation

Berichte von überlebenden Frauen und Mädchen stehen im Mittelpunkt des CEDAW-Schattenberichts

Genf (LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB) gehört zu den fünf zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Regierung der DRK nachdrücklich an ihre grundlegenden Verpflichtung erinnert haben, sexualisierte Gewalt in einem Land zu bekämpfen, in dem die Vergewaltigung von Frauen und Mädchen immer mehr verharmlost wird und die Täter davon ausgehen können, dass sie strafrechtlich nicht belangt werden.

Der LWB, die Bewegung Survivors of Rape and Sexual Violence in DRC, die Dr. Denis Mukwege Foundation, die Right Livelihood Award Foundation und die Panzi Foundation haben diese Forderung in einem gemeinsamen Schattenbericht gestellt, der während der Überprüfung der DRK auf der 73. Sitzung des  UN-Komitees für die Beseitigung der Diskriminierung der Frauen (CEDAW) veröffentlicht wurde. In seinen Empfehlungen an das UN-Komitee hat der Bericht darauf hingewiesen, dass die mangelnde Bereitschaft der Regierung, frühere Empfehlungen umzusetzen, zur unsicheren Situation der Frauen und Mädchen beitrage. Die dahinterstehenden Krisen und Konflikte in diesem zentralafrikanischen Land begannen schon Anfang der 90er Jahre.

Die Erfahrungen von Frauen und Mädchen, die Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt überlebt haben, standen im Mittelpunkt des Berichtes der Organisationen. Zitiert wurden mehrere Fälle aus einem Zeitraum von acht Monaten im Jahre 2018, in dem insgesamt 200 Frauen und Mädchen vergewaltigt wurden, als bewaffnete, nicht näher bezeichnete Milizen Dörfer im Osten der DRK überfallen haben.

Die Organisationen forderten das UN-Komitee nachdrücklich auf, die in der DRK ausgeübte sexualisierte Gewalt als „Kriegswaffe“ anzusehen, da es sich bei den Vergewaltigern meistens um bewaffnete Gruppen handelt und die Vergewaltigungen systematisch und strategisch begangen werden. In manchen Fällen werden „alle Frauen in einem Dorf, von vier Monate alten Kindern bis hin zu 84-jährigen Frauen“ gezielt zu Opfern gemacht. Diese Grausamkeiten, so heißt es in dem Gruppenbericht, werden absichtlich in der Öffentlichkeit begangen, um die Gemeinschaft zu demütigen. Manchmal werden Familienmitglieder gezwungen, an diesen Gewalttaten teilzunehmen oder sie anzusehen. Die Opfer erklärten im Gespräch, dass sie während der Vergewaltigungen gefoltert wurden. Dies zeige, dass „dieser Missbrauch nichts mit so genannten ‚sexuellen Bedürfnissen‘ zu tun hat, sondern mit Zerstörungswut und Dominanz.“

Die nach wie vor bestehende Unfähigkeit, die Täter strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wird als wichtigstes Hindernis angesehen, den Opfern sexualisierter Gewalt Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. In ihren Empfehlungen an das CEDAW-Komitee haben die fünf Organisationen die DRK-Regierung aufgefordert, die Schuldigen für die in der Vergangenheit oder in letzter Zeit begangenen Verbrechen ungeachtet ihres Rangs „zu verfolgen, zu verurteilen und einzusperren, auch im Ausland.“ 

Ineffektive Justiz

Der Bericht kritisiert auch die fehlende Effektivität herkömmlicher Strafmaßnahmen. Dazu gehört auch der aus alten Zeiten stammende Usus, in Fällen sexualisierter Gewalt die Angelegenheit durch eine Zahlung in Form von Nutzvieh aus der Welt zu schaffen. Die Einstellung „Ich vergewaltige ein Mädchen und entschädige die Familie mit einer Kuh, und deshalb kann ich so viele Mädchen vergewaltigen, wie ich Kühe habe“ verstärkt noch das Gefühl des Täters, mit keinerlei Strafe rechnen zu müssen, und führt auch nicht zu einer veränderten Denkweise. Während der Anhörung wies das Komitee auf diese Defizite hin und erinnerte die Regierung daran, dass sie die durch internationale und durch ratifizierte Übereinkommen, einschließlich der Frauenrechtskonvention, festgelegte Verfassungsgesetze durchsetzen müsse. Diese hätten darüber hinaus Vorrang vor Brauchtumsrecht.

In den Empfehlungen an das CEDAW-Komitee haben die fünf Organisationen die Regierung aufgefordert, „die Überlebenden von sexualisierter Gewalt an der Umsetzung, Evaluierung und Stärkung der nationalen Strategie gegen sexualisierte Gewalt und an der landeseigenen Politik für Geschlechtergleichstellung zu beteiligen, um die massiven Vergewaltigungen von Frauen überall in der DRK ein für alle Mal zu beenden.“

Stigmatisierung: doppelte Strafe für die Überlebenden

Der Bericht thematisierte auch die langfristige Stigmatisierung und die doppelte Strafe, die die Überlebenden von Vergewaltigungen und sexualisierter Gewalt erleiden müssen. Sowohl ihre Familien als auch die Gemeinschaft, in der sie leben, ächten sie und grenzen sie aus. „Sie leiden unter einem Stigma, das in seiner Auswirkung von den Regierungen immer noch nicht als Priorität wahrgenommen wird und dazu führt, dass diese Menschen der Armutsfalle nicht entkommen oder das sogar zur Folge hat, dass sich die Frauen prostituieren oder in sonstiger Form ausbeuten lassen, um zu überleben. Die Organisationen haben das Komitee nachdrücklich aufgefordert, die Regierung der DRK zur Einrichtung eines staatlich finanzierten Unterstützungsprogramms zu verpflichten. So sollen die Opfer – auch in abgelegenen ländlichen Gegenden – finanzielle und juristische Hilfe sowie kostenlose Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen können und mit Entschädigungszahlungen eine Existenz aufbauen können.

Führungspersonen der Religionsgemeinschaften spielen ebenfalls eine wichtige Rolle im Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Der CEDAW-Schattenbericht bestand darauf, dass diese Leitungspersonen auf die Notwendigkeit einer Null-Toleranz-Politik gegenüber sexualisierter Gewalt hingewiesen werden und dass sie sich für Respekt gegenüber den Überlebenden und deren Unterstützung einsetzen.

Präventionsprogramme

Der Kampf gegen die Verharmlosung sexualisierter Gewalt müsse, so sehen es die fünf Organisationen, ebenfalls konkrete Präventionsprogramme in den Schulen und auf Ebene weiterer Institutionen beinhalten. Diskussionen über Frauenrechte und über Männlichkeitsbilder, die Gleichberechtigung von Frauen nicht vorsehen, sollten laut dem gemeinsamen Bericht Teil solcher Initiativen sein.

Bei der Entgegennahme des Schattenberichts erklärte das CEDAW-Komitee, Entschädigungsleistungen für die Überlebenden sexualisierter Gewalt hätten Priorität. Allerdings gab es Bedenken wegen der fehlenden Ressourcen seitens der Regierung, um einen Mechanismus für den Schutz von Frauenrechten und die Förderung der Gleichberechtigung einzurichten.