Die Hagia Sophia als gemeinsames Erbe bewahren

Briefe an Präsident Erdoğan und den Ökumenischen Patriarchen weisen auf die Bedeutung „eines für alle offenen Raums“ hin

GENF (LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB) hat davor gewarnt, dass die jüngste Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die als Museum genutzte Hagia Sophia per Dekret wieder in eine Moschee umzuwandeln, der Bedeutung des Bauwerks als „gemeinsamer, für alle offener Raum“ zuwiderlaufe, der „Offenheit und Inklusivität symbolisiert.“

In einem Schreiben an Erdoğan vom heutigen Tage hat LWB-Generalsekretär Pfr. Dr. Martin Junge zu einem Prozess des Dialogs und der Konsultation aufgerufen, damit dieses Weltkulturerbe weiterhin „ein Raum für den interreligiösen Dialog und unser Verständnis eines gemeinsamen Menschseins bleibt.“

Die Hagia Sophia vermittelt „Menschen christlichen und muslimischen Glaubens, aber auch Menschen anderer Glaubensrichtungen oder nicht gläubigen Menschen ein tiefes Verständnis der Vergangenheit und ihrer Auswirkungen auf die Gegenwart und die Zukunft“, schrieb Junge.

Errichtet vor 1.500 Jahren als christlich-orthodoxe Kathedrale im damaligen Konstantinopel, heute Istanbul, wurde die Hagia Sophia 1453 nach der Eroberung durch die Osmanen zur Moschee erklärt. 1934 wandelte die türkische Regierung sie zu einem Museum um. Von der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) wurde die Hagia Sophia zum Weltkulturerbe deklariert. Am 10. Juli verkündete Erdoğan, dass das Museum wieder in eine muslimische Gebetsstätte umgewandelt werden soll.

Die Hagia Sophia ist ein Symbol und eine Ermutigung für alle „guten Initiativen lokaler und globaler kirchlicher Autoritäten, Brücken zu bauen, das gegenseitige Verständnis zu fördern und gemeinsam für die Menschheit und die Schöpfung zu wirken“, fügte Junge hinzu.

Der Generalsekretär wies darauf hin, „dass dieses Dekret die große Gefahr mit sich bringt, Hass und Feindseligkeit zu schüren und damit eine nach wie vor virulente nationalistische Rhetorik weltweit wieder salonfähig zu machen“, die sowohl christliche als muslimische Gläubige besonders dann betreffen könne, wenn diese in der Minderheit seien.

Junge erinnerte an die umfangreiche Förderung des interkonfessionellen Dialogs und der religionsübergreifenden Zusammenarbeit durch den LWB, denn sie veränderten die Gesellschaft zum Wohle aller Menschen und hätten die Zusammenarbeit mit „unseren muslimischen Brüdern und Schwestern im Rahmen unserer lebensrettenden humanitären Einsätze und Entwicklungshilfe inspiriert“. Die Hagia Sophia, erklärte Junge, stehe als Symbol für unser gemeinsames Menschsein.

Der Aufruf des LWB, dieses gemeinsame Erbe zu bewahren, war auch das Thema eines gemeinsamen Briefs, den Junge und LWB-Präsident Erzbischof Dr. Panti Filibus Musa am 14. Juli an den Ökumenischen Patriarchen, Seine Allheiligkeit Bartholomäus I, geschrieben haben. Die lutherischen Kirchenleitenden erklärten sich in dem Brief mit dem Oberhaupt der östlichen orthodoxen Kirche solidarisch und stellten fest, dass das Dekret über die Umwandlung des Museums in eine Moschee „sehr viel Betroffenheit verursacht hat“ und die „Offenheit und Zusammenarbeit" bedrohe, für die das Museum immer ein Symbol war. Der LWB wiederholte seine Forderung nach „einem Prozess des Dialogs, denn die Hagia Sophia repräsentiert in besonderer Weise die Möglichkeit, Zweitracht zu überwinden.“

In ihrem Brief an den Ökumenischen Patriarchen haben Musa und Junge an den fast 40 Jahre währenden ökumenischen Dialog zwischen dem LWB und der orthodoxen Kirche erinnert. Sie bekräftigten erneut, dass sich der LWB „der Rolle der Kirche im öffentlichen Raum“ in besonderer Weise verpflichtet fühle und diese Verpflichtung auch für „alle unsere Brüder und Schwestern in der orthodoxen Kirche gilt.“