Die Bedeutung von Demokratie wiederentdecken

Pröpstin Astrid Kleist (li.) und Prof. Dr. Puleng LenkaBula (Mi.) diskutieren während der Konferenz in Berlin miteinander. Foto: LWB/A. Weyermüller

Internationale Konferenz ermutigt Kirchen, sich kritisch mit ausgrenzendem Populismus auseinanderzusetzen

Berlin (Deutschland)/Genf (LWI) – „Möge Gott uns segnen mit dem Gefühl des Unbehagens, wenn die Antworten zu einfach werden“, betete Singo Maibongwe vom United Theological College Harare (Simbabwe) in einer Morgenandacht während der Konferenz „Churches as Agents for Justice and against Populism“ (Kirchen als Akteure für Gerechtigkeit und gegen Populismus), die vom 2. bis 4. Mai in Berlin (Deutschland) stattgefunden hat.

Ausgrenzender Populismus könne als ein Symptom für die Krise der Demokratie und der ungerechten Wirtschaftssysteme sowie als ein Faktor verstanden werden, der zu dieser Krise beitrage, heißt es in der Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Konferenz. In Europa seien ethnisch-nationalistische populistische Bewegungen eine Gefahr für das Funktionieren demokratischer Grundprinzipien in der Gesellschaft, „Ausgrenzende populistische Bewegungen benutzen demokratische Prozesse, um wesentliche Voraussetzungen und Werte, auf denen die Demokratie beruht, zu unterwandern und kaputt zu machen. (…) Wo Hassrede, fake news und oberflächliche Propagandamethoden in den Mittelpunkt des politischen Diskurses rücken, ist der Raum für eine fundierte und ernsthafte demokratische Debatte stark eingeschränkt.“

An der Konferenz nahmen 65 Fachleute aus Theologie, Ethik, Kirchenleitung sowie Sozial- und Politikwissenschaften aus 25 Ländern teil. Sie analysierten diese Entwicklungen kritisch und untersuchten, wie religiöse Motive und Beweggründe in populistischen Bewegungen Verwendung finden. Darüber hinaus diskutierten sie die Rolle von Theologie und Kirche im Umgang mit diesen Herausforderungen.

Populismus nutzt Religion für ausgrenzende Politik

„Populismus ist eine flexible Ideologie, die sich auch mit anderen Ideologien und anderen Regierungsformen zusammentun kann“, sagte Prof. Dr. András Bozóki, Professor für Politikwissenschaft an der Central European University in Budapest (Ungarn). Er legte eine Analyse seines eigenen Kontextes vor und zeigte auf, wie Populismus mit einer ethnisch-nationalistischen Agenda und einem autoritären politischen Ansatz verbunden werden kann. Populistische Führungspersonen behaupteten, „das Volk“ gegen andere zu verteidigen.

„Populismus braucht Feindbilder, um die Gesellschaft zu homogenisieren“, erklärte Bozóki. In Ungarn wird Islamfeindlichkeit von populistischen Parteien geschürt, um bei Wahlen mehr Stimmen zu bekommen, obwohl es im Land tatsächlich nur sehr wenige Muslime gibt, erläuterte er weiter. „Ethnisch-nationalistische, populistische Bewegungen denken, dass sie den christlichen Glauben für ihre eigenen politischen Ziele missbrauchen können.“

Vorträge aus anderen Ländern zeigten Parallelen für andere Kontexte, aber auch Unterschiede. „Die größte Ausprägung des Populismus im heutigen Indien ist die Hindutva-Bewegung“, sagte Pfarrer Dr. Roger Gaikwad, Generalsekretär des Nationalen Kirchenrates von Indien. Die Ideologie dieser Bewegung will eine Vorherrschaft der Hindus und des hinduistischen Lebensstils verwirklichen und wird auch als politische Bewegung sichtbar, die sich dafür einsetzt, Indien zu einem hinduistischen Staat zu machen. „Hindutva wendet Elemente des religiösen Fundamentalismus, des Kommunalismus und des Nationalismus an“, führte er weiter aus.

„Ethnisch-nationalistische, populistische Bewegungen sind in Europa eine Bedrohung für das Funktionieren demokratischer Prinzipien in der Gesellschaft. Sie benutzen die demokratischen Prozesse, um wesentliche Voraussetzungen und Werte, auf denen die Demokratie beruht, zu unterwandern und kaputt zu machen.“ — Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Konferenz

Demokratien werden in Frage gestellt

Die Teilnehmenden der Konferenz diskutierten lebhaft darüber, wie die Erfahrung wirtschaftlicher Ungleichheit mit dem aktuellen politischen Diskurs zusammenhängt. Sie waren sich einig, dass das Problem der ungerechten Verteilung von Macht, von Reichtum, von gesellschaftlicher Repräsentation und von politischer Teilhabe dringend gelöst werden müsse, um wieder Vertrauen in die demokratischen Strukturen und Prozesse aufbauen zu können. Prof. Dr. Puleng LenkaBula, Stellvertretende Direktorin für institutionellen Wandel, studentische Angelegenheiten und gesellschaftliches Engagement an der University of the Free State in Südafrika betonte, dass die „Versprechen der Demokratie nach dem Ende des Apartheidregimes“ in ihrem Land nicht für alle Teile der Gesellschaft erfüllt wurden. Der Zugang zu Bildung und die Verteilung von Reichtum seien nach wie vor Herausforderungen.

Die Konferenzteilnehmenden ermutigten die Kirchen und theologischen Institutionen, „die Grundursachen für Ungerechtigkeiten zu studieren, ihre Rolle als Akteure für Gerechtigkeit ernst zu nehmen und prophetisches Zeugnis abzulegen gegen unterdrückerische, ausgrenzende Systeme und Strukturen“. Die Zusammenfassung der Ergebnisse der Konferenz ermutigt, sich mit kritischem Blick daran zu erinnern, wo sich Kirchen und Theologie in Bezug auf ethnisch-nationalistische, populistische Agenden mitschuldig gemacht hätten und verweist auf die Notwendigkeit, dafür Buße zu tun.

Kirchen bieten Vision und weltweite Gemeinschaft

„In einer globalisierten Welt können wir Fremde und Fremdes nicht einfach verbannen“, argumentierte Pröpstin Astrid Kleist von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. „Ganz im Gegenteil: Kirchen können eine ganz wichtige Rolle dabei spielen, die Botschaft der Versöhnung zu formulieren und auszusprechen. Und das wirkt dem Trend der Homogenisierung entgegen.“ Sie nannte Beispiele aus Hamburg, wo die lutherische Kirche in ihren Kindergärten und Bildungseinrichtungen ganz bewusst interkulturelle Aufgeschlossenheit fördert und sich im interreligiösen Dialog engagiert, um Beziehungen zu verbessern.

Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén von der Schwedischen Kirche hob hervor, dass die Kirche „über die kurzsichtige und reaktive Politik in der Gesellschaft hinausblicken müsste und unbeirrt zeigen muss, welche Visionen sie hat“. Sie betonte, welch große Bedeutung es habe, eine Kirche zu sein, die Teil einer weltweiten Kirchengemeinschaft ist und die die Grenzen der ethnischen und nationalen Zugehörigkeit überschreitet.

 

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Konferenz

Öffentlich zugängliches Videostreaming von der Konferenz