Deutschland: Selbsthilfegruppen unterstützen Angehörige von COVID-19-Verstorbenen

Bei der Pressekonferenz zum Start eines Netzwerks von Selbsthilfegruppen für Menschen, die nahestehende Personen durch COVID-19 verloren haben: (von links) Anita Schedel, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Antonia Palmer. Foto: EKLB

Landesbischof Bedford-Strohm: „Die Kraft liegt im Austausch!“

WEIDEN, Deutschland/GENF (LWI) – Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (EKLB) und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat vorige Woche den Startschuss gegeben zum Aufbau eines Selbsthilfegruppen-Netzwerks für Trauernde von an Corona verstorbenen Angehörigen.

Welche Hilfe und Unterstützung durch Selbsthilfegruppen möglich sind, können zwei Frauen aus eigener Erfahrung berichten. Antonia Palmer verlor im Januar ihren Vater an Covid-19. Die Studentin gründete daraufhin die bundesweit erste Online-Selbsthilfegruppe. „Dadurch wollte ich den Verlust realisieren und die Trauer irgendwie verarbeiten, als eine Angehörige von mittlerweile über 91.000 an COVID-19 Verstobenen“, sagte Palmer. Auch könne man so gemeinsam Vorwürfen von Corona-Leugnern entgegentreten, die Angehörigen teilweise haltlose Argumente entgegenbringen.

Anita Schedel trauert um ihren an COVID-19 gestorbenen Mann, der als Professor und Arzt eine Klinik leitete. Sie wird nun eine Corona-Selbsthilfegruppe in München gründen. „Ich bin überzeugt und weiß aus eigener Erfahrung, wie gut es tut, sich mit Leidensgenossen austauschen zu können. Das ähnliche Schicksal verbindet nicht nur, man versteht und fühlt sich verstanden, erst recht, wenn für die Welt um einen herum Corona nur Zahlen und Inzidenzen sind und immer mehr zur Normalität verkommt.“

„Die Kraft liegt im Austausch, und Heilung liegt in der Begegnung mit Menschen“, so Bedford-Strohm. Trauernde, die einen nahestehenden Menschen an Covid-19 verloren haben, hätten hart zu tragen. Die Kirche mit ihren vielen seelsorgerlichen Angeboten widme sich bereits den Betroffenen. Selbsthilfegruppen seien eine zusätzliche, hilfreiche Form, mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal erleiden, gemeinsam durch die Trauer zu gehen. In diesen Gruppen werde etwas vom Geist Jesu sichtbar: „Einer trage des anderen Last“ (Galater 6,2).

„Die Situation trauernder Angehöriger geht mir seit Beginn der Pandemie sehr nahe“, sagte Bedford-Strohm. Selbsthilfegruppen böten eine hilfreiche Möglichkeit, mit Menschen, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben, gemeinsam durch die Trauer zu gehen. Nun solle ein Selbsthilfegruppen-Netzwerks für das gesamte deutsche Bundesland Bayern entstehen. Das Netzwerk werde von der EKLB gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Institutionen sowie mit kirchlichen und diakonischen Akteuren geknüpft, so der Landesbischof weiter.

Durch diese Vernetzung können sich Trauernde derzeit an 34 Kontaktstellen wenden. Dort würden Menschen regional in Kontakt gebracht und auf Wunsch bei der Gründung einer neuen Gruppe vor Ort unterstützt. In Weiden funktioniere die Zusammenarbeit bereits bespielhaft, so der Landesbischof.

Im Verlauf der Corona-Pandemie sei die Stadt Weiden und die Region zum Hot-Spot geworden, berichtete Dekan Thomas Guba. „Haupt- und Ehrenamtliche sind in dieser Zeit an ihre persönlichen Grenzen gegangen und manchmal auch darüber hinaus.“ Jeder Mensch habe diese Zeit anders verarbeitet, so der Dekan weiter. „Als Kirche und Diakonie ist es unsere Aufgabe, Menschen zu helfen und einen Rahmen zu schaffen, dass sich Menschen austauschen können und wieder zueinander finden: sich treffen, miteinander reden und Menschen begegnen ist enorm wichtig. Neben Selbsthilfegruppen wollen wir vor Ort aber auch noch durch andere Aktionen und Impulse zum Umgang und Nachdenken mit der Pandemie einladen.“

Von LWB/A. Weyermüller