Der Weg des Wassers

Kinder spielen an einem der Wasserbehälter zwischen dem Fluss Mailoti und dem Lager Minawao. Fotos: LWB/C. Kästner

Kamerun: LWB versorgt Boko-Haram-Flüchtlinge mit Trinkwasser

Minawao (Kamerun)/Genf (LWI) – Zwanzig Liter – so viel sauberes Wasser sollte jedem Menschen pro Tag mindestens zur Verfügung stehen. Denen, die in Industrieländern leben, dürfte es relativ schwer fallen, mit zwanzig Litern zurechtzukommen. Aber in regenarmen Gebieten, wo darüber hinaus eine große Zahl Menschen auf geringem Raum zusammenlebt, muss sich die Menschen oft mit deutlich weniger begnügen – wie etwa in den meisten Flüchtlingslagern. Die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen ist nur eine von vielen Leistungen, die der Lutherische Weltbund (LWB) in der Flüchtlingshilfe erbringt, z. B. im Lager Minawao, im Norden Kameruns.

In Minawao war früher der Großteil der Fläche mit Buschland und Wald bedeckt, in der Regenzeit versorgte ein Trockenfluss das Gebiet mit Wasser. Als im benachbarten Nigeria die Übergriffe der Terrormiliz Boko Haram auf Dörfer in der Region am Tschadsee begannen, flohen die Menschen nach Nordkamerun. 2012 wurde das Lager Minawao eingerichtet, in dem etwa 60.000 Flüchtlinge leben.

Innerhalb weniger Wochen vervielfachte sich der Wasserbedarf. „Zuerst haben wir unser Wasser zu Fuß am Fluss geholt“, erinnert sich Flüchtling Aisha Bakar. „Dorthin waren wir zwei Stunden unterwegs und der Rückweg hat nochmal zwei Stunden gedauert.“ Die Frauen legten die weite Strecke täglich zwei Mal zurück und trugen so viele Kanister, wie sie konnten. Das Wasser war schmutzig und im Lager erkrankten viele an Durchfall, Cholera und anderen im Trinkwasser übertragenen Krankheiten.

Heute ist die nächste Wasserzapfstelle nur ein paar Gehminuten von Bakars Zuhause entfernt. So kann sie öfters Wasser holen und trägt jetzt nur noch eine viel leichtere Last. Noch wichtiger: ihre Kinder werden nicht mehr krank! „Das Wasser ist in der Nähe, ich kann immer welches holen, wenn ich es brauche“, erzählt sie. „Wir haben viel weniger gesundheitliche Probleme.“

Der LWB hat den langen Weg vom Fluss Mailoti bis zum Lager Minawao mit Leitungen und Sammelbehältern überbrückt. Das Wasser wird in der Regenzeit aus dem Flussbett und in der Trockenzeit aus einem speziell zu diesem Zweck gegrabenen Wasserloch entnommen und bis zum ersten Sammelbehälter gepumpt.

Verwendet werden „Zwiebeltanks“ – benannt nach der Form, die sie im gefüllten Zustand annehmen. Von der ersten Sammelstelle wird das Wasser bergauf zur Pumpstation befördert. Dort wird die Wasserqualität gründlich geprüft.

Yacoubou Philibbos studierte Biologie und Geographie, bis er 2013 zur Flucht gezwungen war. Er musste mitansehen, wie Häuser und Kirchen niedergebrannt, Menschen, die ihm nahestanden, ermordet wurden. In Minawao konnte er sein Studium nicht fortsetzen und bewarb sich um einen Ausbildungsplatz als Techniker. Gemeinsam mit seinem Kollegen Saidu Kaigama führt er die Tests am Flusswasser durch, fügt die für die Reinigung nötigen Chemikalien hinzu und schickt das nun trinkbare Wasser auf seinen weiteren Weg durch kilometerlange schwarze Rohrleitungen bis in die Wasserbehälter in der Nähe des Lagers.

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Den abschließenden Test führt Ezra Naulaha durch, ein weiterer vom LWB ausgebildeter Techniker. Jeden Morgen ist er um sechs Uhr an seinem Arbeitsplatz – zwei großen, grünen Plastikbehältnissen unter einem Sonnendach. Er kontrolliert die Wasserqualität, bevor er die Leitungen zu den Zapfstellen öffnet, wo Frauen und Kinder ihre Kanister füllen.

Die beiden Wasserbehälter, für die er zuständig ist, fassen je 10.000 Liter. Täglich werden zwischen vier und zehn Behälter voll gebraucht. Naulaha prüft alle paar Stunden die Wasserqualität und fügt, wenn nötig, Chlor hinzu. Dann bleiben die Leitungen zu den Zapfstellen geschlossen, bis die Qualität wieder den Vorgaben entspricht.

An den Zapfstellen stehen hauptsächlich Frauen und Mädchen um das nötige Wasser an, mit dem sie dann für ihre Familien kochen und die Wäsche waschen.

Viele Jungen brauchen das Wasser für einen anderen Zweck: Sie stellen Backsteine her, mit denen festere Wohnhäuser errichtet werden. Jahrelang mussten die Menschen in Behelfsunterkünften aus Plastikplanen leben und viele sehnen sich nach mehr Sicherheit in einem festen Haus, auch wenn sie hoffen, dass sie dort nicht mehr allzu lange ausharren müssen.