COVID-19: Räumlich isoliert, digital verbunden

Foto: LWB/Albin Hillert

Webinar: Kirchen im virtuellen Raum

GENF (LWI) – Der Lutherische Weltbund (LWB), der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), das Globale Christliche Forum, der Weltverband für christliche Kommunikation (WACC), die Europäische Christliche Internetkonferenz (ECIC) und weitere Kooperationspartner haben gemeinsam ein Webinar organisiert. Kirchen sollten in ihren Bemühungen, ihr Engagement während der Corona-Krise in den virtuellen Raum zu verlegen, ermutigt werden. Ausgerichtet wurde das Online-Seminar vom ÖRK.

Die Vorträge für das Seminar hielten Referentinnen und Referenten aus der lutherischen, der orthodoxen, der methodistischen und der vereinigten-reformierten Glaubenstradition sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich Religion und digitale Medien. Zentrale Themen waren Einblicke in Gottesdienstpraktiken und den Dienst unter der neuen Voraussetzung, die Kirchen dazu zwingt, einen Großteil ihrer Arbeit nicht mehr im persönlichen Miteinander, sondern im virtuellen Raum zu leisten.

Die entfernte Kirche

Dr. Heidi Campbell berichtete über Erkenntnisse aus ihrem neusten Buch „The Distanced Church: Reflections on Doing Church Online“ (Die entfernte Kirche: Überlegungen wie Kirche online stattfinden kann). Das Buch ist eine Sammlung von Aufsätzen verschiedener Kirchenleitender und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, in denen diese darüber nachdenken, wie sich Kirchen angesichts der aufgrund der aktuell verhängten Beschränkungen und Ausgangssperren an das Thema digitale Technologien herangewagt und sich diese zunutze gemacht haben.  

Campbell ist Professorin für Kommunikation an der Texas A&M University und Direktorin des Netzwerks „New Media, Religion and Digital Cultural Studies“ (Neue Medien, Religion und digitale Kulturwissenschaften). Ihr Buch, so Campbell, untersuche Kirchen, „in denen die Mitglieder aufgrund bestimmter Gesundheitsrisiken und Sicherheitsvorschriften zwar räumlich voneinander getrennt sind, die Kirche aber dennoch aufgerufen ist, eine gesellschaftliche Institution zu sein, in der Menschen in Kontakt treten, sich gegenseitig unterstützen und sich um einander kümmern“.

Als die Kirchen aufgrund der COVID-19-Pandemie zunehmend begannen, online präsent zu sein, berichtet Campbell, habe sie drei Grundgedanken oder Herangehensweisen für das Thema digitale Kirche erkennen können – „bekannte Konzepte wurden einfach auf die neue Situation angewandt, wurden übertragen und leicht angepasst, oder aber umgestaltet“. Zunächst wurde einfach ein Gottesdienst mit dem Handy oder einer Kamera aufgezeichnet, der im Kirchengebäude gehalten wurde (bekanntes Konzept angewandt), dann wurden Gottesdienste in einen anderen Kontext verlagert, die Kirchenleitenden sprachen beispielsweise aus ihrem eigenen Zuhause zu den Gläubigen (Übertragung, leichte Anpassung) und schließlich wurde mit interaktiveren Technologien und Verfahren experimentiert, die eine größere Interaktion der Teilnehmenden möglich machten (Umgestaltung).

„Hoffnung in einer von Unsicherheit geprägten Welt“

Schon vor dem aufgrund von COVID-19 verhängten Lockdown habe die Norwegische Kirche ihre Internetpräsenz verstärkt, „weil wir glauben, dass wir da sein müssen, wo die Menschen sind, und die Menschen sind eben online“, erklärte Ingeborg Dybvig, Leiterin der Kommunikationsabteilung in der Norwegischen Kirche, in ihrer Präsentation. Während des Lockdowns habe das Kommunikationsteam dann die Strategie verfolgt, „in einer von Unsicherheit geprägten Welt Hoffnung zu verbreiten“, also den Menschen zu vermitteln, dass „die Kirchentüren zwar verschlossen sind, die Kirche an sich aber offen und für alle erreichbar sei“.

Dies habe zu viel Aktivität geführt, viele Materialien hervorgebracht und viele Online-Dienste der Kirche entstehen lassen, die die Menschen vor allem über Facebook, aber auch über Dienste wie TikTok und die jungen Mitglieder sogar über Minecraft miteinander verbinden. 

Dybvig berichtet, dass der Schwerpunkt der Online-Kommunikation anfangs auf den Gottesdiensten und Andachten lag, dann aber auf eine Vielzahl von Programmen wie gemeinsame virtuelle Mittagessen in der Gemeinde ausgedehnt wurde.

Die Norwegische Kirche geht davon aus, dass sie ihre schon früher bestehenden Bestrebungen einer Verlagerung in den digitalen Raum weiterverfolgen wird und dass es „kein Zurück zu dem geben wird, wie es vor der Pandemie war“, so Dybvig. „Wir werden versuchen zu eruieren, wie wir jene Menschen erreichen können, die bisher nicht in der Kirche aktiv sind, und werden dann den nächsten Schritt gehen.“

Die schwächsten Bevölkerungsgruppen erreichen

Pfr. Ralf Peter Reimann, Pfarrer und Internetbeauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland, sagte, „die Kirche ist lokal und in einer Gemeinde verortet“, auch im Internet. „Die Menschen fanden, dass nicht die Qualität der Übertragung das wichtigste Kriterium sei, sondern dass sie die Menschen und die Gemeinde vor Ort kannten“, erklärte Reimann und führt dann noch weiter aus, dass Kirche nicht mehr nur auf ein Gebäude beschränkt sei, sondern Kirche jetzt hieße, dass Menschen zusammenkommen, um zusammen zu beten und gemeinsam ihren Glauben zu leben.

Pfr. Dr. Nicolas Kazarian, Leiter der Ökumene-Abteilung der Griechisch-Orthodoxen Erzdiözese von Amerika in New York, unterstrich, dass Online-Gottesdienste „dieselbe Würde ausstrahlen sollten, die man von einem Gottesdienst erwartet, den man tatsächlich in einem Kirchengebäude besucht“. 

Es wurden aber auch Bedenken geäußert. „Es scheint eine gewisse Sorge zu herrschen, dass die Menschen dann nicht mehr zu „Offline-Gottesdiensten“ kommen. „Verstärkt wird diese Sorge dadurch, dass die Kollekte aktuell deutlich geringer ausfällt“, erläuterte Pfr. Jonggoo Kim, Leitender Pastor der Methodistischen Kirche Seshin in Seoul, Südkorea, in seiner Präsentation. 

In lebhaften Diskussionen nach den verschiedenen Präsentationen wurde eine Vielzahl von Fragen erörtert, zum Beispiel die Frage, wie auch die schwächsten und schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen und jene Menschen erreicht werden könnten, die im virtuellen Raum oftmals nicht anzutreffen sind, und die Frage, ob diese neuen Entwicklungen zu einem neuen Verständnis von digitalen Medien und Kirche führen würden. Weitere Webinare sind geplant, um den Austausch zu diesen Themen fortzuführen.

 

 

 

Die Aufzeichnung des Webinars