COVID-19 : Digitaler Gottesdienst erschliesst neues Publikum

Der Regensburger Dom, gesehen durch ein Smartphone. Foto: ANBerlin/ flickr

Studie zeigt positive Effekte der Digitalisierung

 

(LWI) – Social distancing, das Versammlungsverbot in Kirchen und die Anweisung, möglichst daheim zu bleiben, haben in den Kirchen viel kreatives Potential freigesetzt. Das zeigt eine Ad-hoc-Studie „Digitale Verkündigungsformate während der Corona-Krise“ im Auftrag der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD).

«Ich bin stolz darauf, wie die Gemeinden reagiert haben,» sagte Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD. Die Corona-Krise habe eine «unglaubliche Kreativität freigetzt», in digitalen ebenso wie in nicht-digitalen Angeboten. «Ich habe erfahren, dass der heilige Geist auch durch Gesichtsmasken und über Abstände verbinden kann.»

Minecraft-Gottesdienst und Osterflashmob

Die Anfang Juni vorgestellte Studie untersuchte die Nutzung digitaler Formate in vier deutschen Landeskirchen, drei von ihnen Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes (LWB): die Nordkirche, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Württemberg, und die Evangelische Kirche Mitteldeutschland. Mehr als 900 Gemeinden, Kirchenkreise und Dekanate beantworteten den Fragebogen, und teilten eine grosse Vielfalt an Initiativen und neuen Formaten.

Zoom-Gottesdienste, Wohnzimmergottesdienste, Morgenandachten auf Facebook, «Sinnfluencer», Minecraft-Gottesdienst und Fürbitten-Hotspots sind nur einige der Beispiele, welche Oberkirchenrätin Stefanie Hoffmann, von der Stabsstelle Digitalisierung der EKD anführte. Mit ihrer Online-Plattform «Kirche von zuhause» unterstützte die EKD Kirchen und Gemeinden durch praktische Hinweise und Webinare.

Digital und analog

Fehlende technische Kenntnisse seien dabei selten ein Hinderungsgrund gewesen, so Hoffmann. Viele Gemeinden konnten auf die Hilfe und den Enthusiasmus vor allem jüngerer Freiwilliger zurückgreifen. Oft wurden Online-Angebote «analog» begleitet, um auch denjenigen gerecht zu werden, die entweder keine gute Internetverbindung oder mangelnde Computerkenntnisse hatten.

«Wir haben von Telefongebetsketten gehört, oder dass Menschen den Gottesdienst auf DVD aufgezeichnet und an Menschen in der Gemeinde verteilt haben,» sagte Hoffmann. In manchen Gemeinden wurden Postkarten versandt oder Ostergottesdienst-Tüten verteilt.

Manche Pfarrer waren auch auf dem Moped unterwegs und predigten per Lautsprecher auf der Strasse. Tausende folgten dem Aufruf zu einem «Oster-Flashmob», und spielten am Ostersonntag um zehn Uhr «Christ ist erstanden» von Balkonen und offenen Fenstern.

Priestertum aller Gläubigen

Die digitalen Angebote erreichten der Studie zufolge 6.5 Millionen Menschen, was einem Anstieg von 287 Prozent im Gottesdienstbesuch gleichkommt, so Daniel Hörsch, der die Studie durchführte. Auch wenn die Auswertung der Metadaten noch aussteht, so zeigte dieses Ergebnis doch «neue glokale Horizonte». Der Studie zufolge wollen 72 Prozent der Gemeinden, die in der Coronakrise erstmal digitale Angebote gemacht hätten, diese auch in Zukunft beibehalten.

«Die Digitalisierung fordert die Verkündigung heraus,» so Hörsch. «Sie hat Dinge offenbart, die auch in analogen Zeiten hinterfragenswerrt gewesen wären, und fördert das Priestertum aller Gläubigen.» So hätten digitale Angebote merkbar die Hemmschwelle für eher Kirchenferne gesenkt, einmal an einem Gottesdienst teilzunehmen, und auch den Wortanteil bei Andachten und Gottesdiensten zugunsten von Musik oder sogar interaktiven Formaten gesenkt. Diese neuen Zielgruppen gelte es, jetzt auch längerfristig zu halten.

Neue Fragen

Davon abgesehen, werfen die neuen Formate jedoch auch Fragen auf – unter anderem bezüglich des Abendmahls. «Als evangelische Christen glauben wir, dass Christus auch voll in einem Wortgottesdienst präsent sein kann,» so Bedford-Strohm. Die EKD habe deshalb vorgeschlagen, für die Zeit der Kirchenschliessung bewusst Abendmahl zu «fasten». Die theologischen Fragen um ein digitales Abendmahl sollen in den nächsten Monaten diskutiert werden – wenn persönliche Treffen wieder möglich sind.

Eine andere Herausforderung war die Seelsorge, insbesondere in Altenheimen und für Sterbende. «Ein Online-Gottesdienst wird die persönliche Begegnung in der Kirche nie ersetzen,» so Bedford-Strohm. Er erwartet, dass «hybride Formate» zunehmen: Ein normler gootesdienst, der aber auch online oder per Stream verfügbar ist.

Einschränkungen waren richtig

Die staatlich verordnete Schliessung der Kirchen habe man jedoch zu keiner Zeit in Frage gestellt, betonte der Ratsvorsitzende. Auch wenn es bisweilen schwierig war, angesichts widersprüchlicher Weisungen in den einzelnen Bundesländern eine gemeinsame Empfehlung für alle Landeskirchen zu formulieren, sei man überzeugt, dass es richtig gewesen sei, diese Einschränkungen mitzutragen.

“Unsere Freiheit als Christen ist immer mit Verantwortung verbunden,” so Bedford-Strohm. «Wir haben uns nicht als Interessengruppe verstanden, die ihre Sache durchboxen will.»