COP26: Am 1,5°-Ziel festhalten und die Stimme für Ausgegrenzte erheben

Vertretende von kirchlichen Organisationen wie ACT Alliance, LWB und Christian Aid setzen sich auf der COP26 in Glasgow für eine gerechte Finanzierung ein. Die Teilnehmenden überreichten einen großen Scheck, der angeblich von "reichen Ländern" unterzeichnet war, die versprachen, den Entwicklungsländern in Summe von "USD Blah Blah Blah" "nur leere Versprechungen" zu machen, Foto: LWB/Albin Hillert

LWB-Generalsekretärin dankt für das Engagement junger Menschen für Klimagerechtigkeit

GLASGOW, Schottland/GENF (LWI) – Das Geschenk des Lebens ist von der Gesundheit unseres Planeten nicht zu trennen. Aus diesem Grund fordern die Delegierten des Lutherischen Weltbundes (LWB) nach der ersten Verhandlungswoche auf der UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow die Verhandlungsführenden auf, am Ziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 °C festzuhalten.

In seiner Eröffnungsansprache an die Staats- und Regierungschefs auf der COP26 hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, eine eindeutige Aussage getroffen: „Die sechs Jahre nach dem Pariser Klimaschutzabkommen 2015 waren die heißesten sechs Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen setzt das Überleben der Menschheit aufs Spiel. Wir haben eine eindeutige Wahl: Entweder wir setzen dem ein Ende – oder wir sehen unserem eigenen Ende entgegen.“

Es braucht mehr als nur den Markt, um Treibhausgase zu verringern

Chad Rimmer, LWB-Programmreferent in der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit, verfolgte die Verhandlungen darüber, wie Länder ihre Fortschritte beim Erreichen des Ziels einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf „Netto Null“ kalkulieren.

„Netto Null“ wird berechnet, indem die Menge des von einem Land in der Atmosphäre reduzierten Kohlenstoffs mit der Menge des von diesem Land produzierten Kohlenstoffs verglichen wird. Allerdings gab Rimmer zu bedenken, „dass diese finanzmarktgeleitete Methode der Kalkulation von ‚Netto Null‘-Emissionen die tatsächliche Zerstörung der Erde und den Verlust der Biodiversität nicht mit einpreist. Um es deutlich zu sagen, könnten reiche Länder nach diesem Modell weiterhin fossile Brennstoffe fördern und Land ausbeuten, solange sie dafür an anderer Stelle einen finanziellen Ausgleich schaffen.“

„Ein solches an der Marktwirtschaft orientiertes Denken, auch moderner Kapitalismus genannt, hat uns in diese Krisensituation gebracht“, erklärte Rimmer. „Wir brauchen zwar die Märkte als Anreiz für Länder, sich an die in ihren nationalen Klimabeiträgen festgelegten Verpflichtungen zu halten, wir brauchen aber auch Denkmodelle, die sich nicht am Markt orientieren, um Staaten auf tatsächliche Veränderungen festzulegen.“

Rimmer zeigte auf, welche Rolle die Kirchen und die Menschen im Glauben spielen können, wenn es um einen Beitrag zu einer nicht marktgeleiteten Verringerung der Kohlenstoffemissionen geht. „Wir müssen dafür sorgen, dass lokale Kenntnisse über Ozeane, Wassereinzugsgebiete, Wälder, Berge und Grünland-Ökosysteme in diesem Gesamtbild angemessen berücksichtigt werden. Auf der Natur und nicht auf dem Markt basierende Mechanismen werden uns beim Erhalt der Biodiversität und der Integrität wertvoller Ökosysteme unterstützen, denn diese sind das einzig wahre Maß für die nachhaltige Gesundheit unseres Planeten.“

Fehlende Stimmen auf der COP26

Überall auf der Welt erheben Völker, Gemeinschaften, Kirchen und die Zivilgesellschaft ihre Stimme und fordern ambitionierte Maßnahmen und konkrete Verpflichtungen für Klimagerechtigkeit.

Auf den bisherigen Klimagipfeln haben sich zahlreiche dieser Stakeholder vor Ort in den Konferenzsälen der COP zu Wort gemeldet. Dieses Jahr war der Zugang zu der Konferenz aber aufgrund der COVID-19-Restriktionen, des ungerechten Zugangs zu Impfungen und sich verändernder Anforderungen erheblich eingeschränkt. Das hat dazu geführt, dass zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter des Globalen Südens zu Hause bleiben mussten, da eine Reise nach Schottland für sie nicht möglich war.

Ihre Teilnahme und auch das Engagement der Zivilgesellschaft sind aber wichtig, um wirksame Veränderungen zum Schutz vulnerabler Gruppen durchzusetzen. Dazu gehören Frauen, junge Menschen, indigene Völker und Menschen aus besonders gefährdeten Gemeinschaften. Diese Inklusivität war auch schon auf früheren Klimagipfeln eine Forderung aus dem Glauben handelnder und zivilgesellschaftlicher Organisationen und wird mit COP26 noch nachdrücklicher gestellt.

Die LWB-Jugenddelegierte Nora Antonsen von der Norwegischen Kirche hat die erste Woche von COP26 persönlich miterlebt. „Ich bin hier, um die Stimme für diejenigen zu erheben, die sonst nicht gehört werden“, sagte sie.

Ein großer Teil der LWB-Delegierten verfolgt COP26 online und hat aus diesem Grund nur einen begrenzten Zugang zum Konferenzgeschehen. Während die meisten Plenardiskussionen und zahlreiche Nebenveranstaltungen online gestreamt werden, ist die direkte Teilnahme weitgehend nicht möglich. „Oft gibt es keine Gelegenheit, aktiv teilzunehmen, Fragen zu stellen oder das Geschehen aktiv zu kommentieren“, so Michelle Schwarz von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Deutschland.  „Auch der unmittelbare Austausch zwischen denjenigen, die eine Veranstaltung online verfolgen, ist nur beschränkt möglich.“ Um diese Situation zu verbessern, hat sie einen separaten Chatroom für die LWB-Delegierten eingerichtet, die dort über ihre Erfahrungen berichten können.

LWB-Generalsekretärin dankt für Klimaschutz-Engagement

Am Ende der ersten Woche traf sich LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt online mit der COP26-Delegation des LWB.

„Ich habe Ihr Engagement in Glasgow aufmerksam verfolgt“, sagte sie. „Ich bin tief von Ihrem Einsatz für Klima- und Generationengerechtigkeit beeindruckt. Sie repräsentieren den LWB in einer inspirierenden Art und Weise.“

Burghardt ging ebenfalls auf die Verpflichtung des LWB ein, für Gottes Schöpfung Sorge zu tragen.  Von der LWB-Vollversammlung in Daressalam im Jahre 1977 bis zum heutigen Tag habe der LWB immer eindeutig Stellung bezogen und „das Problem als eine Frage der Gerechtigkeit und der Fürsorge für die am stärksten gefährdeten Menschen dargestellt, die oft nicht für sich selbst sprechen können.“ Dem jungen Führungsnachwuchs des LWB ist es gelungen, auf den UN-Klimakonferenzen und auch in den LWB-Mitgliedskirchen eine überzeugende Advocacy-Arbeit zu leisten.

„Es ist so wichtig, dass Sie die Stimme des LWB auf der COP26 zu Gehör bringen“, sagte Burghardt. „Geben Sie die Botschaft weiter, dass wir uns als Lutheranerinnen und Lutheraner, als Christinnen und Christen für die Bewahrung der Schöpfung, für den Kampf gegen den Klimawandel und für die damit verbundenen Gerechtigkeitsfragen einsetzen“.

Von LWB/A. Weyermüller. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken

Der LWB nimmt an der 26. UN-Klimakonferenz (COP26) teil, die vom 31. Oktober bis 12. November in Glasgow, Schottland, stattfindet. Dieses Engagement ist Teil der laufenden Bemühungen der lutherischen Weltgemeinschaft, Klimaschutzmaßnahmen und Anwaltschaft auf allen Ebenen zu stärken. Junge Menschen sind hierbei wichtige Akteure des Wandels und bilden den größten Teil der LWB-Delegation zur COP26.