Christlichen Einfluss für den Frieden in Nahost nutzen

Schülerinnen und Schüler aus dem Kindergarten der Evangelisch-Lutherischen Schule in Beit Sahour machen beim Lernen des arabischen Alphabets eine Pause, um für ein Foto zu posieren. Foto: ELKJHL

Öffentlicher Vortrag von LWB-Präsident Younan in Beirut

(LWI) – In Zeiten von zunehmendem religiösen Fanatismus im Nahen Osten sind Lutheranerinnen und Christen besonders gefordert, mit Liebe und Dialogbereitschaft eine friedliche gemeinsame Zukunft zu sichern, sagte Bischof Dr. Munib A. Younan am 19. März in einem Vortrag im libanesischen Beirut.

Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB) hielt dort einen öffentlichen Vortrag zum Thema „Reformation und Politik“ an der kirchlichen Hochschule „Near East School of Theology (NEST)“. Sein Vortrag zum Thema „Der Beitrag von Lutheranerinnen und Lutheranern zum politischen Leben in Nahost“ war eine Antwort auf ein Referat von Dr. Margot Kässmann, der Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017.

Lutheranerinnen und Lutheraner versuchten nicht, die Politik zu „christianisieren“, sondern die Gesellschaft durch ihr Engagement zu verbessern, betonte Younan, gleichzeitig Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELKJHL). „Obwohl Christinnen und Christen im Nahen Osten zahlenmässig in der Minderheit sind, können wir enormen Einfluss haben. Wir sollten ihn zugunsten aller Menschen und Gemeinschaften in unserer Region nutzen.“

Die rechtsstaatliche Entwicklung sei „ein zentrales Anliegen beim Wiederaufbau des Nahen Ostens. In diesem Prozess setzten sich arabische Christinnen und Christen für eine Bürgerschaft mit gleichen Rechten und gleicher Verantwortung ein“, sagte Younan weiter.

Für Martin Luther, den Initiator der protestantischen Reformation vor 500 Jahren, wäre das Leiden, der Menschen im Irak und in Syrien ein Grund, selbst in eine solche Krise einzugreifen, erklärte der LWB-Präsident. Luther würde „die unangebrachte Unterscheidung zwischen Politik und Religion infrage stellen“, interreligiöse Verbindungen fördern und den israelisch-palästinensischen Konflikt als einen Faktor benennen, der zu religiös begründetem Fanatismus beitrage, erklärte der Bischof.

„Luther, selbst Anführer einer Minderheitenbewegung, würde uns zweifellos beipflichten, dass die Bedrohung nicht im Zusammenleben mit den ‚Anderen‘ besteht, sondern darin, dass Fanatikerinnen und Fanatiker uns verfolgen“, sagte Younan in seiner Ansprache.

Er verwies auf das historische Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft: Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken im Jahr 2017“. Diese Schrift zeige, dass Lutheranerinnen und Lutheraner in ökumenischer Verantwortung agieren wollten und Einheit, Wandel, die Kraft Jesu Christi und das gemeinsame Zeugnis betonen. „Gemeinsam zeigen wir, dass sich die Kirche Jesu Christi immer für Reformen und Erneuerung einsetzt“, sagte er.

„Die Wellen der Gewalt, die den Nahen Osten überrollt haben, haben die kleinen christlichen Gemeinschaften dort unverhältnismässig hart getroffen“, sagte Younan und fügte hinzu, dass alle Gemeinschaften potentielle Opfer der dort weiterhin herrschenden Gewalt seien. „Lutherische Überlegungen über eine angemessenen Autorität von Kirche und Regierung können dazu beitragen, eine Form zu finden, durch die sich alle Gemeinschaften im Nahen Osten auf eine gemeinsame Zukunft hinbewegen.“

Der Bischof der ELKJHL gehört zum Leitungsgremium der NEST, einer interkonfessionellen, protestantischen Institution, die im Nahen Osten Pfarrerinnen und Pfarrer und andere in der Kirche Tätige für den Dienst in den Kirchen und den damit verbundenen Organisationen ausbildet.