"Being Lutheran": Junge Menschen kommen zu Wort

Junge Menschen aus LWB-Mitgliedskirchen nahmen im Oktober 2019 in Addis Abeba an der Konsultation zum Thema „We Believe in the Holy Spirit: Global Perspectives on Lutheran Identities“ (Wir glauben an den Heiligen Geist: Lutherische Identitäten aus weltweiter Perspektive) teil. Foto: LWB/Albin Hillert

Junge Stimmen aus Schweden, Polen, Kanada und Südafrika über lutherische Identität

GENF, Schweiz (LWI) – Wie können junge Lutheranerinnen und Lutheraner sicherstellen, dass ihre Sichtweisen und Stimmen in der Kirche wahrgenommen und berücksichtigt werden? Wie können sie nicht mehr nur der reinen Quotenerfüllung dienen, sondern tatsächlich teilhaben an der Führungsverantwortung ihrer Kirchen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene? Und wie können ihre Glaubenserfahrungen und theologischen Sichtweisen einfließen in den aktuell laufenden Prozess zu lutherischer Identität?

Das waren die zentralen Fragen, mit denen sich die Teilnehmenden des jüngsten Webinars in der Reihe „Being Lutheran“ beschäftigt haben. Das siebte Webinar dieser Reihe hob die Vielfalt der liturgischen, spirituellen und theologischen Ausdrucksformen innerhalb der weltweiten Kirchengemeinschaft hervor. Vier junge Theologinnen und Theologen aus Schweden, Polen, Kanada und Südafrika berichteten aus ihrer Sicht über verschiedene Probleme und Themen, mit denen die Kirchen in ihrem jeweiligen nationalen und kulturellen Kontext konfrontiert sind.

Sofie Halvarsson von der Schwedischen Kirche sprach über die Folgen und die Bedeutung des lutherischen Verständnisses eines Priestertums aller Gläubigen. In ihrem Kontext, wo fast sechs Millionen Menschen Mitglied einer ehemaligen Staatskirche seien, sei es sehr wichtig, Gott nicht „in irgendeine Schublade zu stecken“ und den Glauben nicht auf einzelne biblische Geschichten und Berichte bestimmter christlicher Führungspersonen zu reduzieren. 

Vergessene Geschichten von Gott wiederentdecken

„Der Heilige Geist weht, wo er will“, so Halvarsson. Deshalb sei es von zentraler Bedeutung, die „vergessenen Erfahrungen“ von Frauen, Kindern und anderen marginalisierten Menschen wiederzuentdecken, deren Geschichten nie erzählt oder angehört wurden. „Wenn ein Teil von Gottes Geschichte verloren geht, haben wir nicht mehr die ganze Geschichte“, unterstrich Halvarsson. Diese Einsicht habe großen Einfluss darauf, wie Menschen miteinander interagieren, sich gegenseitig respektieren und auf die Erfahrungen der Menschen in ihrem jeweiligen Umfeld reagieren.

Sebastian Madejski von der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen sprach über eine ganz andere Erfahrung in seinem Land. Die lutherische Kirche sei in dem überwiegend römisch-katholischen Land nur eine Minderheitenkirche. Er berichtete, dass jedes Jahr etwa 250 Menschen in die lutherische Kirche eintreten würden, wobei die meisten von der Form der Abendmahlsfeier in der lutherischen Glaubenstradition angesprochen würden. 

Die Liturgie sei also „ein Ort, an dem der Heilige Geist wirke und metanoia oder innere Umkehr bewirke“, so Madejski. „Auch die bisherigen Erfahrungen dieser Konvertiten können unsere Kirche bereichern.“ Als Lutheranerinnen und Lutheraner so Madejski, „teilen wir die gleichen Werte, aber legen die Schwerpunkte in Bezug auf unsere eigenen Glaubenserfahrungen ganz unterschiedlich“.  Die Herausforderung sei, „wie wir unseren Stimmen Gehör verschaffen und eine aufgeschlossene, tolerante Gesellschaft schaffen können“.

Christopher MacDonald von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kanada berichtete über seine Arbeit mit Kindern und erzählte, wie wichtig es sei, den Glauben durch die Augen und Ohren von Kindern zu erleben. In dem westkanadischen Kontext, in dem er lebe, so MacDonald, „haben wir das Problem, dass die Menschen wenig durch ihren Körper leben, ihren Körper wenig einsetzen“; der Glaube „findet nur im Kopf statt“, obwohl der Heilige Geist doch „etwas körperliches ist, das durch unsere Körper lebt und atmet“. 

Er erzählte, dass einige ältere Menschen sich nun von Kindern beibringen lassen würden, ihrem Glauben durch Bewegung und Tanz Ausdruck zu verleihen. Er führte aus, dass Kinder vielleicht ein vereinfachendes Verständnis vom Glauben hätten, „unsere Gottesdienste aber manchmal einfach mit Leben erfüllen“.

Im Hinblick auf die Beziehung der Kirche zu der indigenen Bevölkerung Kanadas berichtete er, dass darüber nachgedacht werde, den Angehörigen der First Nations Land zurückzugeben, wenn die Kirchengemeinden es nicht mehr nutzen würden. Die Frage wäre: „Wie können wir in einen fruchtbaren Dialog mit den Menschen treten, denen die Kirche Leid zugefügt hat?“

Keine reine Quotenerfüllung

Kagiso Morudu, ein Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (Kapkirche), sprach über die Rolle von jungen Menschen in seinem Land zur Zeit des Apartheid-Regimes und in der #feesmustfall-Bewegung der jüngeren Vergangenheit, die für einen besseren Zugang zu Bildung kämpfte. Die Stimmen von jungen Erwachsenen, Frauen und Kindern würden „in den Hintergrund verbannt oder bei Entscheidungen einfach nicht berücksichtigt“, auch in der Kirche, führte er aus. 

Im südafrikanischen Kontext, so Morudu, würde von jungen Menschen erwartet, dass sie durch Musik und Tanz zwar eine „lebendige“ Präsenz in der Kirche seien, diejenigen aber, die Fragen zu Grundsätzen und Verfahrensweisen stellten, würden von der Kirchenleitung als Störfaktor wahrgenommen. Er berichtete von einem Umfrage in Ortsgemeinden, die die Jugendorganisation der ELKSA ins Leben gerufen habe, um zu erfrahren, welche Glaubensfragen bei den Mitgliedern obenauf lägen. Das Projekt sei aus einer Reihe von Webinaren während des Corona-Lockdowns entstanden, in denen viele Menschen berichtet hätten, wie sehr sie mit ihrer Sexualität und der Frage ringen würden, was es in ihrem afrikanischen Kontext bedeute, lutherisch zu sein.

Chad Rimmer, Programmreferent des Lutherischen Weltbundes (LWB) für Identität, Gemeinschaft und Bildung, wies darauf hin, dass für alle Veranstaltungen des LWB Quoten gelten würden. So sollten mindestens 40 Prozent der Teilnehmenden Frauen, mindestens 40 Prozent Männer und mindestens 20 Prozent junge Erwachsene sein. „Die Teilnahme ist aber nur der Anfang“, sagte er. „Der LWB ermutigt und unterstützt junge Erwachsene und junge Theologinnen und Theologen ausdrücklich dabei, theologische Führungsverantwortung zu übernehmen und sich einzubringen, wenn es um die inhaltliche Ausgestaltung und theologische Reflexion in unserer Kirchengemeinschaft, um Leitung und um theologische Konsultationen geht.“

Abschließend fasste Rimmer zusammen: „Junge Theologinnen und Theologen in unserer Gemeinschaft prägen die theologische Auseinandersetzung in unserer Kirchengemeinschaft und vergrößern die Vielfalt der Ausdrucksformen unserer lebendigen Glaubenstradition auf eine Art und Weise, die weit in die Zukunft hinein Früchte tragen wird.“

Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller