Äthiopien: Ideen gegen Not und Mühsal

Viele Frauen und Männer in Äthiopien müssen ihre Heimat wegen extremen Klimaverhältnisse verlassen. Fotos: LWB/Albin Hillert

LWB unterstützt Binnenvertriebene, die extremen Klimaentwicklungen und Konflikten entkommen wollen

Seweyna, Äthiopien/Genf (LWI) – In der für Binnenvertriebene errichteten Siedlung in Burka Dare in der äthiopischen Region Oromia erklärt Halima Ismael, warum sie ihre Heimat in der benachbarten Region Somali verlassen hat. „Wir haben lange mit allen Mitteln versucht, uns selbst zu helfen. Viele unserer Brüder sind gestorben, und am Ende mussten wir doch unser Dorf verlassen. Wir sind nachts aus Daka weggegangen, meine Familie und unsere Nachbarn. Als wir hier ankamen, hatten wir nichts. Wir mussten alles zurücklassen.“

Die Siedlung im Distrikt Seweyna befindet sich in der Verwaltungszone Bale, rund 750 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt. Sie ist eine der fünf Regionen in Äthiopien, in der der Lutherische Weltbund (LWB) Projekte durchführt, darunter auch Initiativen, um durch Klimawandel und Konflikte im eigenen Land vertriebene Menschen zu unterstützen. In einem Nachbardistrikt in derselben Zone hilft der LWB Gemeinschaften, eine höhere Krisenresistenz aufzubauen und die Lebensumstände dem sich ändernden Klima anzupassen.

Ismael gehört zu den 550.000 bis 600.000 vom LWB unterstützten Menschen unterschiedlicher Konfessionen in einem Land, in dem immer wiederkehrende extreme Dürreperioden und ethnische Konflikte zu den wichtigsten Ursachen für die interne Vertreibung gehören. Mitglieder ländlicher Gemeinschaften sind gezwungen, ihr Heimatland auf der Suche nach Wasser, Nahrung und neuen Weidegründen zu verlassen. In den Regionen Oromia und Somali versorgt der LWB zurzeit 83.905 Binnenvertriebene (38.956 Männer und 44.949 Frauen).

Mit Hilfe seines Länderprogramms versucht der LWB, in dieser Notlage durch den Zugang zu Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) direkt zu helfen. Langfristige Entwicklungs- und Autonomieinitiativen ergänzen diesen Ansatz.

In Bale arbeitet der LWB zurzeit in fünf Distrikten, davon sind vier als „Brennpunkte“ mit Priorität 1 klassifiziert. Eines der Projekte, nachhaltige WASH-Lösungen in Katastrophenfällen für Binnenvertriebene, versorgt 22.908 Menschen (11.496 Frauen und 11.412 Männer) in Rayitu und Seweyna mit Unterstützung des Ethiopia Humanitarian Fund (EHF) und des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA). 

„Die Tiefebene von Bale leidet unter extremer Wasserknappheit“, erklärt Projektleiter Dereja Teka. „In Seweyna hat die Hauptstadt Micha kein Wasser. Früher gab es in vier Kilometern Entfernung einen Fluss, aber der ist vor ein paar Monaten ausgetrocknet, so dass jetzt als einzige Möglichkeit die Wasserversorgung mit Tankwagen geblieben ist. Es gibt einen Brunnen in sieben Kilometern Entfernung, aber auch der droht auszutrocknen.“

Nach 40 Jahren: „Ein starkes Team vor Ort“

Tefera Hailu, Leiter des Nothilfe-Teams in Bale, sieht den LWB in Äthiopien mit einer Präsenz von mehr als 40 Jahren als „ein starkes Team vor Ort.“ Er fügt hinzu: „Wenn sich nur noch wenige NGOs in die am schlimmsten betroffenen Gebiete wagen, ist der LWB zur Stelle. Das bringt uns die höchste Anerkennung der Gemeinschaften und auch der Regierung.“

Sophia Gebreyes, die LWB-Länderrepräsentantin, berichtet über die beispiellose Partnerschaft, die sich in Bale „mit den von uns betreuten Gemeinschaften und der lokalen Regierung in einem Gebiet entwickelt hat, das immer wieder von Katastrophen heimgesucht wird.“

Diese Arbeit ergänzt die Initiativen der Regierung, sich dem Klimawandel anzupassen und die Herausforderungen der durch den Klimawandel verursachten internen Vertreibung zu bewältigen. „Wir hoffen, dass unsere langfristige Präsenz und unser Zeugnis einen Beitrag dazu leisten können, die Würde der schutzlosesten Menschen wiederherzustellen und zu bewahren“, für sie hinzu.

Begrenzte Ressourcen

Hussein Ibrahim, der ebenfalls in Burka Dare lebt, berichtet über die WASH-Unterstützung, die er und eine Gruppe von mehr als 400 Menschen seit ihrer Ankunft in der Siedlung vor zwei Jahren bekommen hat, nachdem sie ihre Heimat in Somali verlassen mussten.

„Wir hatten vorher keine Latrinen, und als wir sie dann welche bekam, haben sich Hygiene und Gesundheit hier innerhalb kürzester Zeit verbessert. Wir haben ein System für die tägliche Reinigung, die reihum in den Männer- und Frauenblock durchgeführt wird“, erklärt der 65-jährige, der auch einer der Ältesten in der Gemeinschaft ist. 

Die Situation bleibt jedoch prekär. Die Menschen leben in kleinen Häusern oder Hütten, oft müssen sich bis zu acht Haushalte den begrenzten Platz unter einem Dach teilen. „Wenn man 15 Jahre alt ist, dann ist man bereit, alles daran zu setzen, für sich ein Heim oder ein Haus zu bauen. Aber wir sind nicht mehr 15. Wir können nicht mehr das leisten, was wir früher geleistet haben, wir brauchen Hilfe bei der grundlegenden Versorgung mit Kleidung, Unterkünften, Nahrungsmitteln, Bildung für unsere Kinder und Zugang zur Gesundheitsversorgung.“

Früher, in der alten Heimat, haben die Menschen von Viehzucht und Bienenhaltung gelebt. „Die meisten von uns haben jetzt nichts mehr zu tun“, fügt Ibrahim hinzu. „Wir mussten unser altes Leben zurücklassen, auch unsere Bienen und fast unser gesamtes Vieh.“ Trotzdem zeigt die Gemeinschaft Kreativität und Widerstandswillen angesichts der Härten des Lebens, denn die Menschen sind davon überzeugt, dass sie auch mit den verfügbaren begrenzten Ressourcen etwas verändern können.

Ibrahim demonstriert, wie die Oromo Bienenstöcke in Holzröhren anlegen und diese in die Bäume in der Nähe hängen. Die Gemeinschaft kann dann später Honig aus den von Bienen kolonisierten Stöcken sammeln.

Sahara Abdullahi hat außerdem noch eine neue Möglichkeit gefunden, etwas Geld zu verdienen. Die 18-jährige stellt Sonnenschutzabdeckungen für Wasserkanister her und verkauft sie für 50 Birr (EUR 1,60) das Stück.

Sickerwassernutzung

Am nahe gelegenen Fluss, der in dieser Jahreszeit kein Wasser mehr führt, hat die Gemeinschaft eine Viehtränke gegraben und füllt sie mit Sickerwasser tief aus dem Flussbett. Auf diese Weise werden das Vieh und auch die Menschen mit Trinkwasser versorgt.  Der LWB überwacht ebenfalls den Bau von drei 10.000-Kubikmeter-Teichen in der Gegend. Sobald sie in der Regenzeit gefüllt werden, stellen sie eine letzte Wasserreserve für die trockensten Monate des Jahres dar.

Projektmanager Teka erklärt abschließend: „Die Gemeinschaften, die wir gezielt unterstützen […], sind in der Lage, ihre eigenen Ressourcen zu nutzen, die kennen ihr Potenzial.  Diese Menschen haben noch eine Chance, und sie haben immer noch den großen Traum, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.“

 

Das LWB-Länderprogramm für Äthiopien wurde 1973 auf Bitte der Äthiopischen Evangelischen Kirche Mekane Yesus ins Leben gerufen mit dem Ziel, das durch die damals im Land herrschende extreme Dürre verursachte Leid zu lindern. Die auf die Gemeinschaft ausgerichtete Arbeit will in erster Linie die Fähigkeiten zur Krisenbewältigung verbessern und nachhaltige Existenzsicherung ermöglichen. Dies geschieht durch WASH, Umweltschutz und psychosoziale Unterstützung.