„Das Haus schaukelte wie ein galoppierendes Pferd“

Familie Kunda lebt derzeit in einem Lager direkt gegenüber ihrem Haus. Foto: LWB/C. Kästner

Nepal: LWB setzt Hilfe für Erdbebenopfer fort

Kathmandu (Nepal), 30. April 2015 (LWI) – „Das Haus schaukelte wie ein galoppierendes Pferd“, erzählt Mahendra Shresta von dem Erdbeben vor fünf Tagen. „Wir waren alle drin, im obersten Geschoss. Wir konnten uns noch nicht einmal an einander festhalten.“

Seine Schwester ergänzt: „Alles schlingerte von einer Seite zur anderen.“ Und sie fährt fort: „Als es aufhörte, hat sich das angefühlt, wie wenn man aus einem Boot steigt. Ich konnte nicht geradeaus laufen. Sogar jetzt bebe ich innerlich noch.“

Die Familie schaffte es nach draussen, bevor das Dach einstürzte. Seither kampiert sie im Freien, ihr einziger Schutz eine mit Stöcken aufgespannte Plane. „Wir trauen uns nicht, ins Haus zurückzugehen“, erklärt Mahendra. „Es hat das grosse Erdbeben 1934 überstanden, aber jetzt hat es überall Risse.“

Vielzahl provisorischer Lager

Mahendra und seine Angehörigen sind eine von 175 Familien, an die der Lutherische Weltbund (LWB) Planen und Fertignahrung verteilt hat. Sie leben in einem der 16 offiziellen Lager in Kathmandu, dazu kommen hunderte weitere provisorische Lager.

In Bhaktapur vor den Toren von Kathmandu, wo Mahendra herstammt, sind die Zerstörungen am grössten. Die Menschen dort haben nur kleine Einkommen und leben in alten Ziegelhäusern, von denen durch das Beben der Stärke 7,9 am 25. April viele schwer beschädigt wurden. Eingestürzte Dächer, Schutt auf den Strassen und breite Risse in den Fassaden machen klar, die meisten Häuser in Bhaktapur sind nicht mehr sicher.

„Wir tragen immer noch dieselbe Kleidung, mit der wir das Haus verlassen haben“, berichtet Safinaraina Kunda. Der betagte Mann ist das Oberhaupt einer 10-köpfigen Familie, die momentan im selben Lager wie Mahendra unter einer Plane lebt.

Um zu der Familie vorzudringen, müssen sich BesucherInnen und Hilfskräfte einen Weg zwischen Zeltleinen und kleinen Gräben suchen, die den frühen Monsunregen von den wenigen Habseligkeiten wegleiten, die die Menschen retten konnten. „Ich habe noch nie ein Erdbeben erlebt“, sagt Kundas Schwiegertochter. „Es fühlte sich an wie eine ganze Stunde. Ich hatte solche Angst.“

Am dringendsten brauchen die Obdachlosen nach eigenen Worten Unterkünfte, Wasser und Lebensmittel. „Diese Plane ist nicht gross genug für uns alle“, stellt Mahendra fest. „Der Wind bläst darunter hindurch und bei Regen ist sie undicht. Wer in den Ecken schläft, wird nass, und die Feuchtigkeit steigt vom Boden auf.“

Auch die Hygiene wird zum Problem. Man wäscht sich an öffentlichen Brunnen und in Ritualbädern, überall ist Kleidung zum Trocknen aufgehängt. Weit und breit sieht man keine Toiletten. Die Menschen beginnen bereits, Masken zu tragen, wenn sie auf die Strasse gehen, um sich vor Infektionen zu schützen.

Zugang zu entlegenen Gebieten

In den Zeltstädten überall in Kathmandu findet man Menschen, deren Häuser eingestürzt oder beschädigt sind, aber auch andere, deren Häuser noch stehen und keine Schäden haben. Zwar hat es schon mehr als einen Tag lang keine Nachbeben mehr gegeben, aber die Menschen fangen erst jetzt langsam an, in ihre noch intakten Häuser zurückzukehren. Ausser dem Tod, den Verletzungen und Zerstörungen, die das Erdbeben verursacht hat, ist es auch verantwortlich dafür, dass die Menschen in Kathmandu ihre innere Ruhe eingebüsst haben.

 „In ein paar Tagen werden diejenigen, die die Möglichkeit haben, in ihre Häuser zurückkehren und dann sehen wir klarer“, erläutert Duane Poppe vom LWB-Team. „Dann fängt die langfristige Arbeit wirklich an.“ Derzeit entsendet der LWB Sondierungsteams in entlegenere Gebiete. Je mehr Strassen geräumt werden, desto höher steigen mit den Nachrichten über vollständig zerstörte Dörfer die Opferzahlen.

Das Team des LWB stützt sich bei seiner Nothilfearbeit auf kurzfristige Lageeinschätzungen auf der Grundlage von Behördenberichten und Erkenntnissen von Mitarbeitenden, die häufig selbst aus der Region stammen.

„Wir arbeiten seit 30 Jahren mit diesen Menschen“, erklärt der Direktor des LWB-Programms in Nepal, Dr. Prabin Manandhar. „Wir kennen sie. Nachdem unser Team jetzt voll einsatzfähig ist, werden wir alles tun, um ihnen zu helfen.“


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